30 August 2006

 

Tottori

Innerhalb der letzten zwei Tage habe ich Japans Hauptinsel zweimal fast in ganzer Länge durchquert – das ist ganz schön weit, Mannomann. Japan sieht klein und futzelig aus, aber es ist unglaublich lang. Per Shinkansen und Flugzeug bin ich über 1000 km nach Tottori gereist, genauer ans Arid Land Research Center der dortigen Universität, wo gestern ein Symposium über die Bedeutung traditionellen Wissens für nachhaltige Entwicklung in Afrika veranstaltet wurde.
Tottori liegt am Japanischen Meer und ist berühmt für seine riesigen, für Japan einzigartigen Sanddünen – denen, soweit ich weiß, auch dieses Forschungszentrum seine Existenz verdankt. Gesehen habe ich sie aber leider nicht (das Bild habe ich hier ausgeliehen), die Zeit war zu knapp, denn da Jakob und Thomas das erste Mal überhaupt in ihrer beider Leben für länger als ein paar Stunden ganz alleine miteinander waren, habe ich die Reise so straff wie möglich organisiert; morgens mit dem ersten Zug nach Tokyo, von wo (vom Flughafen Haneda aus) dann ein Flug nach Tottori ging, mit dem ich genau dreißig Minuten vor Beginn des Symposiums landete und per Taxi dann ganz genau rechtzeitig da war; abends war kein Fortkommen mehr möglich, erst am nächsten Morgen um 7 ging der Flug zurück, per Shinkansen war ich dann schon mittags wieder daheim - wo sich erstaunlicherweise in meiner Abwesenheit keinerlei Katastrophen ereignet hatten, sondern eitel Sonnenschein herrschte.
Das Symposium selbst war – gelinde gesagt – mäßig. Zwar waren es alles gestandene Professoren und Professorinnen, die vortrugen, inhaltlich war es auch ganz interessant, aber die Form ….! Bei eigentlich zwanzig Minuten Redezeit, auf deren Einhaltung der Organisator und Leiter der Veranstaltung aber nie pochte (wahrscheinlich weil er als Assistant professor den echten Professoren in der japanischen Rangordnung untertan ist und sich nicht herausnehmen kann, sie zeitlich zu maßregeln), machten manche erst mal eine 25minütige wolkige Einleitung, bei dem sie alles, was ohnehin schon auf ihrer Folie stand, noch drei- bis fünfmal mit ausführlichen Worten umschrieben, bevor sie zum eigentlichen Thema kamen, das dann aber auch nicht stringenter präsentiert wurde. Einer der Vortragenden, Professor an einer renommierten kulturwissenschaftlichen Universität, übersetzte sogar erst während des Symposiums seine ursprünglich auf Japanisch gemachte (obwohl des Symposium ausdrücklich als englischsprachig angekündigt war) Präsentation ins Englische – das Resultat war folgendes.


Ähm, tja...
Mein Vortrag war der einzige, der innerhalb der 20 Minuten blieb, hinterher sagte einer der alten Professoren (der übrigens hervorragend Deutsch sprach), das sei ja ein gutes Beispiel für die deutsche geographische Schule gewesen, very dense und organisiert. Bin mir nicht ganz sicher, ob das als Kompliment gemeint war. Als Ausklang ergriffen alle wichtigen Personen noch einmal das Wort und beteuerten, was für großartige Veranstaltung das gewesen sei und was für fantastische Vorträge und wichtige neue Aspekte blabla usw. usw. – war es mitnichten! Die Vorträge waren schlecht in der Form oder banal vom Inhalt her, es ist mir rätselhaft, wie man das so belobhudeln kann! Und das erstaunt mich um so mehr, als die Vortragenden wie auch die Kommentatoren allesamt kompetent, sachverständig und erfahren wirkten. Nun ja.
Direkt nach dem Symposium – was meine Pläne, noch wenigstens einen kurzen Ausflug zur Düne zu machen, leider vereitelte – ging es dann zur üblichen „dinnerparty“ in ein japanisches Restaurant, wo es ein ähnliches Essen gab wie neulich im Ryokan, ich aber alles tapfer bewältigte. Es war interessant, sich mit den anderen zu unterhalten, erstaunlicherweise sprachen sie fast alle nicht nur englisch, sondern forschungsbedingt auch französisch, und legten überhaupt eine für japanische Verhältnisse sehr seltene Weltoffen- und –erfahrenheit an den Tag. Interessant war auch, wie mit fortschreitender Zeit und steigendem Alkoholkonsum immer mal wieder der eine oder die andere zu einem kurzen Minutenschlaf einnickte, dann aber, bevor der Kopf auf die Tischplatte oder ins Bierglas zu sinken drohte, mit einem Ruck wieder zu sich kam und nahtlos ins aktuelle Tischgespräch einstieg.
Ich konnte mir das Einschlafen gerade noch so verkneifen, bis ich dann in meinem Hotelzimmer ins Bett sinken durfte.


Tottori im Morgengrauen, und der winzige Flughafen direkt am Meer mit dem einen Gate

Die ANA-Flotte auf ihrem Heimatflughafen Tokyo-Haneda.


 

Es regnet, ...

... es regnet, der Jakob wird naß - und findet das ganz toll.
Irgendwann werden uns die anderen Eltern schimpfen, daß Jakob immer barfuß und in Regen und Matsch draußen rumlaufen darf und so ihren eigenen Kindern, die das ja nicht sollen (schmutzig! gefährlich!) als dauerndes schlechtes Vorbild vo der Nase herumspaziert.

25 August 2006

 

TÜV

Auch in Japan müssen Autos regelmäßig zum TÜV ("shaken"), und zwar alle ab einem Alter von drei Jahren und dann alle zwei Jahre. Heute war der Termin dafür, aber da wir hier in Japan sind, kam der TÜV zu uns - in Gestalt von zwei überaus höflichen Toyota-Mitarbeitern, die das Auto abholten. Angekündigt war zwischen neun und zehn, sie kamen um halb zehn, und versprachen, es um fünf zurückzubringen, um halb fünf standen sie dann mit einem blitzblanken Auto wieder vor der Tür. Die Überprüfung und eventuell fällige und gleich machbare Reperaturen werden vom Händler selbst durchgeführt, und es ist klar, daß kein Auto von einem solchen Check-up schmutzig zurückkommt, das wäre sicherlich gegen die Firmenehre.
Billig ist der Spaß allerdings nicht: Zwischen 120.000 und 160.000 Yen kostet der TÜV im Schnitt, habe ich gelesen, bei uns waren es heute 150.000 (umgerechnet rund 1000 Euro), das ist ein Drittel des Kaufpreises von vor knapp anderthalb Jahren

 

Alles Gemüse

Was eßt Ihr denn so in Japan, werden wir immer mal wieder aus Deutschland gefragt. Also, wenn wir nicht gerade in einem Ryokan übernachten (siehe gestern), essen wir eigentlich das gleiche wie in Deutschland auch, mit einem leicht japanischen Einschlag (Tofu, Miso, Sojasauce). Es gibt hier fast alles, was man aus Europa kennt, problemlos zu kaufen - außer Quark und gescheiten Äpfeln (= aromatisch und in unterschiedlichen Sorten). Manches ist ein bißchen umständlich (Vollkornbrot: selber backen oder per Internet, guter Käse: auch aus dem Internet), anderes gibt's in viel größerer Auswahl und frischerer Qualität als in Europa, z.B. Obst und Gemüse. Einen netten kleinen Bioladen haben wir hier auch, und das allerbeste sind die freundlichen Biobauern aus den Bergen bei Tono, Reiko und ihr Mann, dessen Name mir gerade partout nicht einfallen will, die uns jede Woche eine Kiste voll Biogemüse nach Hause liefern. Frischer und regionaler geht's nicht. Manchmal ist es eine echte Herausforderung, bis zur nächsten Lieferung mit zehn Auberginen fertig geworden zu sein (ich koche sonst nie Auberginen!), oder mit diesem Berg von kleinen Gurken, aber ich habe schon allerhand neue Rezepte dadurch ausprobiert. Manche Sachen haben wir auch abgewählt, den schleimigen japanischen Yams z.B., und die ebenfalls schleimigen Tarowurzeln; und auch die riesigen weißen Rettiche nehmen wir nur noch gelegentlich, nachdem wir sie letztes Jahr oft einfach nicht geschafft haben.
An unsere Biokiste herangekommen sind wir übrigens über den Leiter von Thomas Arbeitsgruppe am Institut; er ist mit den Bauern befreundet, seit sie sich mal bei einer Diskussion über Gentechnologie gegenüberstanden. Der Bauer ist übrigens Agraringenieur, der nach dem Studium fand, es müsse doch auch anders gehen und sich dann auf das Abenteuer Bioanbau (hier in Japan noch lange nicht so etabliert wie in Europa) eingelassen hat.

24 August 2006

 

Campen auf Japanisch - oder: Andere Länder, andere Sitten

In Japan gibt es an jedem landschaftlich auch nur ein bißchen reizvollen Platz - an jedem See, an jedem Berg, in jedem schönen Flußtal - garantiert einen Campingplatz. Die sind dann aber nicht wie die deutschen Plätze, wo man sein Zelt oder seinen Wohnwagen ordentlich in Reih' und Glied nebeneinander aufbaut, sondern malerisch in die Landschaft eingefügt, in einen lichten Wald oder über einen weiten Hang verstreut, so daß man im besten Falle die Nachbarn kaum sieht und hört. Für Zelte gibt es schön gleichmäßig flach angelegte Plätze oder gar kleine Holzpodeste, zu denen oft eine Art feste Bierbankgarnitur gehört; wenn man nicht extra ein Zelt heranschaffen möchte, kann man ein schon an Ort und Stelle fertig aufgebautes Leihzelt mieten. Und wer es doch gerne komfortabler hat, mietet ein hünsches kleines Holzhaus, wo man sogar die Bett- (bzw.Futon-)wäsche gestellt bekommt.
Genau das haben wir letztes Wochenende von Freitag auf Samstag getan; allerdings war es nicht unsere Idee, sondern Thomas' langjähriger Kooperationspartner hatte auf dem "Eco-Camp Michinoku" zwei Häuser reserviert, um hier die Institutskollegen von vor dreizehn Jahren samt Familien zusammenzutrommeln und nostalgisch ein bißchen von alten Zeiten zu schwärmen.
Das Programm war uns schon vorher per mail übermittelt worden:
Ankunft 15 Uhr, einchecken (links auf dem Bild unser Haus), dann Grillparty vorbereiten.
17 Uhr: Anfang Grillparty.
nächster Morgen: Frühstück,
10 Uhr auschecken.
Und genau das wurde dann auch gemacht.
Was wirklich ein bißchen schade war, denn die umgebende Landschaft war ungeheuer reizvoll, ein großer Stausee, dramatisch steile Berge, ein großer Naturpark in der Nähe. Aber es war nun mal nicht vorgesehen, sich damit abzugeben. Stattdessen ging es wirklich die ganze Zeit ums Essen. Kaum angekommen, stürzten sich alle Männer auf den Grill, um fachmännisch Feuer zu entfachen, die Frauen standen in der Küche und schnippelten Unmengen von Fisch, Huhn, Tintenfischen, Gemüsen etc etc. Zwischendrin tobten die Kinder (fast alles kleine Jungs von 2 bis 9) mit Unmengen von Spielzeugautos durch die Gegend. Und dann wurde bis spät in die Nacht gegrillt und gegessen. Und dabei eigentlich gar nicht so sehr von alten Zeiten geplaudert (oder vielleicht haben wir das nur nicht richtig verstanden). Als fast alles Geschnippelte aufgegessen war, gab es dann noch gebratene Nudeln und ich weiß nicht, was noch alles, da war ich nämlich schon ins Bett gegangen.
Am nächsten Morgen machten sich dann alle Damen an die Zubereitung eines Frühstücks, das hauptsächlich aus liebevoll belegten und zurechtgeschnittenen Weißbrotsandwiches und Tee aus der Plastikflasche bestand (plus ein paar Resten vom Vorabend); als das verzehrt war, wurde zügig der Grill abgebaut, das Haus geputzt, die Autos beladen, der Müll (Unmengen: Plastik- und Pappgeschirr, Plastikbecher, Wegwerfstäbchen, Verpackungsmüll, und erstaunlich viele erbarmungslos weggeworfene Reste, ganze gebratene Fische, Hähnchenspieße etc.) entsorgt. In den benachbarten Häusern wurde ähnlich zügig die Abreise vorbereitet, dabei waren viele deutlich später gekommen als wir. Punkt zehn war alles fertig, aber plötzlich hieß es, ausgecheckt wird erst um elf, da hieß es dann die Zeit totschlagen. Das geschah mit allerhand Erinnerungsfotos machen und noch ein bißchen schwatzen. Um elf konnten wir dann endlich losfahren. Gut, daß es nicht das ganze Wochenende war!

Damit ich jetzt nicht falsch verstanden werde: Es waren samt und sonders sehr, sehr nette Leute- aber die japanische Art, so etwas durchzuführen, ist einfach zu anders. Urlaub und sonstige Ausflüge machen sie hier ja so ähnlich: Nur nicht alleine und individuell, sondern schön in der Gruppe und mit einem ordentlichen Programmgerüst, das meistens aus ankommen, umschauen, viel essen, Andenken kaufen und Fotos machen besteht, dann schnell wieder weg.

Wir fuhren dann weiter nach Süden, in eine Bergregion um den fast 2000m hohen Zao-san, und quartierten uns in einem fast schon luxuriösen Ryokan ein, mit prächtigem Blick auf die Berge, einem schönen Bad im Haus und überall geschmackvollen kleinen Dekorationsdetails. Praktischerweise fuhr die Seilbahn ganz in der Nähe ab, und so unternahmen wir mehrere kleine, schöne, unanstrengende Bergtouren, mit anschließendem Entspannungbad und friedlichem Abhängen in der Yukata.

Bis das Abendessen kam: Hierfür wurden wir in ein anderes, leerstehendes Zimmer gebeten (während in unserem eigenen die Futons für die Nacht hergerichtet wurden), und bekamen dann von einer strengen Dame ein vielgängiges klassisch japanisches Menü serviert. Sehr merkwürdige Dinge galt es da hinunterzubekommen, mehrere in hübschen kleinen Schalen angerichtete schleimige Gemüse unterschiedlichster Farbe, kleine, mit Rogen prall gefüllte gebratene Fische (wir aßen Kopf, Schwanz und Gräten nicht mit, was uns gleich einen strengen Blick einbrachte), Seeigelinneres und als Krönung eine riesige Auster. Das war der Preis für den Komfort und die schöne Umgebung, und nach kurzem Überlegen verwarfen wir dann doch die Lösung mit der Toilette und aßen sie - sie schmeckte merkwürdig, aber gar nicht mal schlecht.

Damit (und vielleicht, weil wir schön ordentlich saßen, mit Stäbchen umgehen konnten und uns nicht völlig undiszipliniert benahmen), hatten wir dann anscheinend die Qualifikation erworben, das Frühstück am nächsten Morgen mit den anderen japanischen Gästen in einem der Speisesäle einnehmen zu dürfen. Das war dann zwar auch salzig japanisch, aber es war nichts dabei, was soviel Überwindung kostete wie die Dinge vom Vorabend.

Nach dem Frühstück machten wir noch einen Spaziergang um den gleich neben dem Ryokan gelegenen malerischen kleinen Bergsee, und als wir zurückkamen (es war noch nicht zehn), war unser armer grauer Toyota schon das einzige Auto auf dem Parkplatz, alle anderen Gäste hatten eilig ausgecheckt und waren wohl schon zu ihrem nächsten Ziel unterwegs.

Wir fuhren dann noch auf einen anderen Berg mit einem zauberhaften kleinen See, fielen dort ein bißchen auf, weil Jakob inmitten der zahlreichen ordentlich picknickenden japanischen Familien als einziges Kind im Wasser plantschen durfte. In Seen baden tut man hier nicht (ich habe mich extra erkundigt diesbezüglich): Man badet nur dort, wo es einen extra dafür eingerichteten Bereich und einen Sicherheit gewährleistenden Bademeister gibt. Alles andere wäre viel zu abunai. Das sagte dann auch ein kleines Mädchen, daß uns zuschaute, sehr ernst zu seiner Mutter: "Das ist gefährlich, gell!" Bestimmt ist es auch sehr gefährlich (oder doch zumindest schmutzig!), barfuß durch einen kalten Wasserfall zu waten, oder von seinem Vater mit vollem Speed rennend im Buggy eine Bergstraße heruntergeschoben zu werden. Arme Kinder.


23 August 2006

 

Blumen aus Feuer

Den Abschluß des großen Sommerfestes in Kitakami - bzw. aller Sommerfeste Japans - bildet obligatorisch ein Feuerwerk. Hanabi heißt das auf japanisch, Feuerblumen. In Kitakami findet es am Flußufer statt, eine riesige Menschenmenge versammelt sich, es gibt Essen und Trinken am laufenden Meter, und viele Leute, vor allem die Damen, sind schön sommerlich bunt in Yukatas gekleidet.
Nun traf es sich ja, daß gerade Patricia und Petra da waren - und so rafften wir zwei Tage vorher unseren ganzen Mut zusammen und betraten eines dieser vornehmen Kimonogeschäfte, in denen man auch die Baumwollyukatas für den Sommer kaufen kann. In Kitakami gibt es MINDESTENS ein Dutzend dieser Geschäfte, worüber ich regelmäßig wieder staune, angesichts der Preise für einen ordentlichen Kimono: Unter umgerechnet etlichen Hundert Euro gibt's nichts Rechtes, wie oft kauft man schon sowas ?? Wir jedenfalls kauften jeweils nur ein Yukata-"setto" (Set), bestehend aus Yukata, Obi (der breite Gürtel), traditionellen Holzsandalen und Handtaschenbeutel, zum Schnäppchenpreis von 4000 Yen (ca. 30 Euro). Das war wirklich billig.
Am Feuerwerksabend kam dann die freundliche Nachbarin, Kitagawa-san, die mir schon eine Woche vorher ihre Hilfe beim Herrichten angeboten hatte, samt ihrer gerade zu Besuch weilenden Schwiegermutter, und dann ging's los.



Die Schwiegermutter ist rüstige fünfundsiebzig, ehemalige Lehrerin für japanischen Tanz und kennt sich aus mit solchen Sachen. Sie fand, Patricia und Petra hätten sich ruhig buntere Yukatas kaufen sollen (daß sie sie daheim aber als Morgenmäntel benutzen wollen und sie deshalb eher dezent gewählt hatten, haben wir ihr lieber nicht gesagt), und vor allem nicht beide die gleichen. Trotzdem hat sie uns ruckzuck alle verpackt, daß uns fast die Luft wegblieb und der Schweiß innen am Körper runterlief. Bei den Schleifen gab's für uns verheiratete Frauen, die es nicht mehr nötig haben, sich aufzurüschen, nur die kleinen:


Vom Feuerwerk selbst habe ich leider keine ordentlichen Bilder, aber es war im wahrsten Sinne des Wortes ein ziemlicher Knaller. Ein bißchen störend waren die Pausen zwischen den einzelnen, wie soll man es nennen, Formationen, Bildern?, da wurden Namen und Grußbotschaften hunderter Privatsponsoren verlesen ("der Opa Soundso grüßt seinen Enkel in Ezuriko" etc.) und außerdem erklärt, daß als nächstes eine Micky-Maus-Figur kommt). Auf diese Weise dauerte es gute anderthalb Stunden - von denen ich aber höchstens 15 Minuten mitbekommen habe, denn Jakob fand es blöd. Bei den kleineren Raketen am Anfang wollte er sich ausschütten vor Lachen. Als dann richtig große und vor allem laute kamen, fing er bei jeder neuen bitterlich an zu weinen, da bin ich halt mit ihm gleich wieder nach Hause gefahren, habe mich aus meiner verschwitzten Yukata geschält und noch die eine oder andere besonders große Rakete im Nachthimmel über den Nachbarhausdächern bewundert.

 

Monstermücken

Neulich nachts war eine Monstermücke im Haus. Und den armen Jakob hat's ganz schön erwischt, noch Tage danach sah sein Bein so aus. Dabei sah sie aus wie eine stinknormale Stechmücke, als ich sie am nächsten Morgen erschlug.

22 August 2006

 

Ernst des Lebens

Ich habe Jakob heute das erste Mal in eines der sogenannten Daycare-Center (hoikuen)gebracht, in denen Kinder ab sechs Monaten betreut werden. Er soll da ab jetzt einmal wöchentlich für ein paar Stunden hingehen, vielleicht auch länger , wenn es ihm gefällt. Hat er ein Gesicht gemacht, als er gemerkt hat, daß ich ohne ihn weggehe! Und er durfte weder sein Tütata, noch sein "Buzzi" (ein kleines Busmodell) mitnehmen, der Arme.
Zum Glück arbeitet dort aber eine Freundin von mir, die er ganz gute kennt. Bin gespannt, was sie berichten wird, wenn ich ihn nachher abhole. Das erste Mal ist übrigens gleich drei Stunden am Stück, nix mit Mama-dabeibleiben, am nächsten Tag ein halbes Stündchen alleine, dann ein ganzes... nein, die Kleinen sollen ruhig gleich merken, daß jetzt der Ernst des Lebens beginnt.
Schade, daß die auf der homepage angekündigte Webcam noch nicht in Betrieb ist.

Nachtrag: Es war wohl doch nicht so schlimm - haben sie mir jedenfalls erzählt. Er hat immer mal wieder geweint, aber auch wieder aufgehört, hat dann das Mittagessen verweigert, ist eingeschlafen, und schlief noch, als ich ihn abholen kam. Und scheint mir das Ganze nicht übelgenommen zu haben, den Rest des Tages war er so wie immer. Nächste Woche also wieder!
Das hier ist nun das "Baby-home", wie sie es auch nennen. Von innen sieht es hübscher aus. Der Platz davor ist ein bißchen komisc , eine Mischung aus Parkplatz und Baustofflager. Fänden die größeren Kinder sicher einen schönen Spielplatz, aber das wäre natürlich viel zu "abunai", gefährlich.

16 August 2006

 

Sommerevents

Zur Zeit jagen sich hier die Sommereignisse, man kommt kaum dazu, von allen zu berichten. Noch immer habe ich nichts über das Feuerwerk geschrieben, und schon schiebt sich wieder was dazwischen: Das Obon*-Sommertanzfest der lokalen Nachbarschaftsorganisiation, heute und morgen abend, unter freiem Himmel auf einem nahegelegenen Spielplatz. Klar, daß wir da hingegangen sind - und heute nochmal hingehen werden, denn es war zauberhaft. Als wir kurz nach sieben hinkamen - da ist es hier ja schon komplett dunkel - war der Tanzplatz von zahlreichen bunten Lampions erhellt, und zwei Dutzend vorwiegend ältere Damen in Yukatas tanzten anmutige traditionelle Kreistänze um eine erleuchtete Säule in der Mitte, je älter, desto anmutiger, so schien es. Drumrum stand ein gemischtes Publikum aus der Nachbarschaft, aus dem sich immer mal wieder eine Gestalt löste, um sich in den Kreis einzureihen, meist nicht ganz so gekonnt, aber die Athmosphäre war so entspannt, da trauten sich viele. Das hatte schon was. Die Musik ist für unsere Ohren zunächst recht merkwürdig (es waren übrigens die gleiche Art Musik und Tänze, die Thomas für seine Parade gelernt hatte; aber er zierte sich natürlich), aber eingängig, vor allem durch die sonore Trommel, die alles zusammenhielt und eigenartig echt wirkte - wo es doch am Anfang jeden Liedes aus den Lautsprechern knackte wie von einer 100 Jahre alten Schallplatte. Eine unserer Bekannten ging dann nachsehen - und da hockte doch tatsächlich in der zentralen Säule ein echter Trommler , und spielte zwei Stunden sozusagen Trommelkaraoke! Sowas.
Logisch, daß wir heute abend nochmal hingehen, diesmal auch in Yukata und tanzbereit (Thomas hat mir den einen Tanz gestern abend noch beigebracht). Vielleicht gibt's dann auch bessere Fotos, denn die von gestern sind einfach zu dunkel.

*Obon ist ein eigentlich buddhistisches Fest zum Gedenken an die Ahnen, das im allgemeinen vom 13. bis 15. August gefeiert wird. In diesen Tagen ist halb Japan unterwegs, die Leute fahren zurück in ihre Herkunfstregionen, die Obon-Woche ist neben Neujahr die wichtigste Reisezeit. Im Radio wird stündlich angesagt, in welchen Shinkansen-Zügen und Flugzeugen noch Platz ist - meist nirgends mehr. Ein Rätsel ist mir, warum diese wichtigen Tage keine offiziellen Feiertage sind - damit ist man hier ja sonst nicht geizig (Bsp. Tag des Grüns, Tag der Senioren, Kaisers Geburtstag...)

15 August 2006

 

Aus heimischen Landen frisch auf den Tisch

Neulich war Thomas mit Jakob spazieren und hat dabei die Frau mit dem großen Gemüsegarten getroffen. Sie war gerade am Ernten, und schenkte den beiden ein großes Büschel frisch aus der Erde geholter Sojastauden. Für alle, die immer schon mal wissen wollten, wie die aussehen, voilà: So wachsen sie:







Und so sieht das ganze von nahem aus:


Die Schoten kocht man kurz in Salzwasser und ißt die Bohnen dann als Snack, gerne z.B. zum Bier. Sie heißen dann edamame.

Oder man (bez. die Lebensmittelindustrie) macht tausend andere Sachen daraus: Sojasauce*, Tofu, Sojamilch, Sojamayonnaise, Sojasahne, Miso, Natto (fermentierte Sojabohnen in ihrem eigenen, würzigen Schleim, sehr gesund und sehr seltsam zu essen). Soja ist hier in Japan im Essen wirklich omnipräsent.

Und so sehen die Pflanzen aus, wenn jemand sich nicht so gut um sie kümmert wie unsere Nachbarin in ihrem Garten.

* In der Vorlesung Organische Chemie hat der Professeur mal geraten, man solle darauf achten, hochwertige Sojasauce zu kaufen - die billige sei gar keine, sondern dafür würden tote Tiere in Salzsäure aufgelöst, mit Natronlauge neutralisiert, noch ein bißchen gewürzt, und fertig. Aber sowas würden die Japaner bestimmt schmecken, das gibt's sicher nur in anderen Teilen der Welt. Also Obacht!


 

Natsumatsuri

Jetzt muß ich doch endlich mal vom vorletzten Wochenende berichten,
an dem meine für eine Woche hier weilenden Freundinnen Patricia und Petra (hier beim Karaoke; klar, daß ich mit ihnen das volle Sightseeing- und Aktionsprogramm durchgezogen habe!) das Glück hatten, ein echtes japanisches Sommerfestival (natsu = Sommer, matsuri = Festival) mitzuerleben. Diese Festivals finden hier derzeit überall statt und sind ein echter Augenschmaus.


Sie bestehen aus allerhand Umzügen durch die Stadt, unzähligen Darbietungen überwiegend traditionellen Tanzes der lokalen Masken-, Tanz- und Trommelgruppen (rechts im Kulturzentrum der Stadt, etwas unscharf, pardon!) und einem riesigen Abschlußfeuerwerk.

Der eine der großen Umzüge wurde gebildet von Dutzenden Tanzgruppen aller möglichen Betriebe, Freizeitvereine, Behörden usw. Alle tanzten den gleich Tanz (vorher eingeübt, aber an der Synchronität hätte man meist noch etwas feilen können) zur stets gleichen traditionellen Musik, mit der die ganze Route beschallt wurde; ein echter Ohrwurm war das. Thomas' Institut war auch dabei, und Thomas natürlich auch, in Yukata und mit allem Drum und Dran. Und obwohl Schlagzeuger ja eigentlich nicht tanzen, sieht es ganz so aus, als hätte er zumindest zeitweise Spaß gehabt, seht selbst:

Die Gruppe rechts war auch gut. Ein Rätsel ist mir, warum der Herr in Gelb so traurig schaut, an so einem schönen bunten Sommerabend.
Halb Kitakami war auf der Gass' - zumindest aber die Familien und Freunde all derer, die mittanzten (das macht dann bestimmt halb Kitakami!). Hier links wird der mittanzende Großvater gefilmt.
Und natürlich gab es entlang der Umzugsmeile keinen Meter Bordstein, an dem nicht alle Arten von Essen und Getränken angeboten worden wären - das wichtigste bei fast allen Festen ist in Japan schließlich das Essen. Interessant war auch das Eis, das hier verkauft wird und das genau das gleiche wie in Afrika ist: Geschabtes Wassereis, getränkt mit Fruchtsirup. Jakob hat von einem Unbekannten seinen ersten Brathähnchenspieß geschenkt bekommen, den er wie ein Raubtier verschlungen hat.
Am nächsten Abend ging es mit einem noch größeren Umzug weiter, bei dem Folkloretanzgruppen der für die Region typischen Figuren auftreten - zu Dutzenden, und zwar nicht nur von hier, nein, sie kommen sogar aus Sapporo und Tokyo!

Das hier ist der Oni-kembai aus Kitakami, eine Art Dämon;

Und hier ist Shishi Odori, der Tanz des Hirsches. Sehr wilde Hirsche, wirklich eindrucksvoll! Hier und hier sieht man sie nochmal besser und erfährt mehr dazu.


Nur ihr Anführer hätte sich auch ein bißchen verkleiden sollen, finde ich.

Und es gab noch jede Menge mehr (Bilder zum Vergrößern anklicken):



Ich habe mich richtig heimisch gefühlt: das Ganze erinnert doch sehr an die alemannische Fastnacht!

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