24 August 2006
Campen auf Japanisch - oder: Andere Länder, andere Sitten
Genau das haben wir letztes Wochenende von Freitag auf Samstag getan; allerdings war es nicht unsere Idee, sondern Thomas' langjähriger Kooperationspartner hatte auf dem "Eco-Camp Michinoku" zwei Häuser reserviert, um hier die Institutskollegen von vor dreizehn Jahren samt Familien zusammenzutrommeln und nostalgisch ein bißchen von alten Zeiten zu schwärmen.
Das Programm war uns schon vorher per mail übermittelt worden:
Ankunft 15 Uhr, einchecken (links auf dem Bild unser Haus), dann Grillparty vorbereiten.
17 Uhr: Anfang Grillparty.
nächster Morgen: Frühstück,
10 Uhr auschecken.
Und genau das wurde dann auch gemacht.
Was wirklich ein bißchen schade war, denn die umgebende Landschaft war ungeheuer reizvoll, ein großer Stausee, dramatisch steile Berge, ein großer Naturpark in der Nähe. Aber es war nun mal nicht vorgesehen, sich damit abzugeben. Stattdessen ging es wirklich die ganze Zeit ums Essen. Kaum angekommen, stürzten sich alle Männer auf den Grill, um fachmännisch Feuer zu entfachen, die Frauen standen in der Küche und schnippelten Unmengen von Fisch, Huhn, Tintenfischen, Gemüsen etc etc. Zwischendrin tobten die Kinder (fast alles kleine Jungs von 2 bis 9) mit Unmengen von Spielzeugautos durch die Gegend. Und dann wurde bis spät in die Nacht gegrillt und gegessen. Und dabei eigentlich gar nicht so sehr von alten Zeiten geplaudert (oder vielleicht haben wir das nur nicht richtig verstanden). Als fast alles Geschnippelte aufgegessen war, gab es dann noch gebratene Nudeln und ich weiß nicht, was noch alles, da war ich nämlich schon ins Bett gegangen.
Am nächsten Morgen machten sich dann alle Damen an die Zubereitung eines Frühstücks, das hauptsächlich aus liebevoll belegten und zurechtgeschnittenen Weißbrotsandwiches und Tee aus der Plastikflasche bestand (plus ein paar Resten vom Vorabend); als das verzehrt war, wurde zügig der Grill abgebaut, das Haus geputzt, die Autos beladen, der Müll (Unmengen: Plastik- und Pappgeschirr, Plastikbecher, Wegwerfstäbchen, Verpackungsmüll, und erstaunlich viele erbarmungslos weggeworfene Reste, ganze gebratene Fische, Hähnchenspieße etc.) entsorgt. In den benachbarten Häusern wurde ähnlich zügig die Abreise vorbereitet, dabei waren viele deutlich später gekommen als wir. Punkt zehn war alles fertig, aber plötzlich hieß es, ausgecheckt wird erst um elf, da hieß es dann die Zeit totschlagen. Das geschah mit allerhand Erinnerungsfotos machen und noch ein bißchen schwatzen. Um elf konnten wir dann endlich losfahren. Gut, daß es nicht das ganze Wochenende war!
Damit ich jetzt nicht falsch verstanden werde: Es waren samt und sonders sehr, sehr nette Leute- aber die japanische Art, so etwas durchzuführen, ist einfach zu anders. Urlaub und sonstige Ausflüge machen sie hier ja so ähnlich: Nur nicht alleine und individuell, sondern schön in der Gruppe und mit einem ordentlichen Programmgerüst, das meistens aus ankommen, umschauen, viel essen, Andenken kaufen und Fotos machen besteht, dann schnell wieder weg.
Wir fuhren dann weiter nach Süden, in eine Bergregion um den fast 2000m hohen Zao-san, und quartierten uns in einem fast schon luxuriösen Ryokan ein, mit prächtigem Blick auf die Berge, einem schönen Bad im Haus und überall geschmackvollen kleinen Dekorationsdetails. Praktischerweise fuhr die Seilbahn ganz in der Nähe ab, und so unternahmen wir mehrere kleine, schöne, unanstrengende Bergtouren, mit anschließendem Entspannungbad und friedlichem Abhängen in der Yukata.
Bis das Abendessen kam: Hierfür wurden wir in ein anderes, leerstehendes Zimmer gebeten (während in unserem eigenen die Futons für die Nacht hergerichtet wurden), und bekamen dann von einer strengen Dame ein vielgängiges klassisch japanisches Menü serviert. Sehr merkwürdige Dinge galt es da hinunterzubekommen, mehrere in hübschen kleinen Schalen angerichtete schleimige Gemüse unterschiedlichster Farbe, kleine, mit Rogen prall gefüllte gebratene Fische (wir aßen Kopf, Schwanz und Gräten nicht mit, was uns gleich einen strengen Blick einbrachte), Seeigelinneres und als Krönung eine riesige Auster. Das war der Preis für den Komfort und die schöne Umgebung, und nach kurzem Überlegen verwarfen wir dann doch die Lösung mit der Toilette und aßen sie - sie schmeckte merkwürdig, aber gar nicht mal schlecht.
Damit (und vielleicht, weil wir schön ordentlich saßen, mit Stäbchen umgehen konnten und uns nicht völlig undiszipliniert benahmen), hatten wir dann anscheinend die Qualifikation erworben, das Frühstück am nächsten Morgen mit den anderen japanischen Gästen in einem der Speisesäle einnehmen zu dürfen. Das war dann zwar auch salzig japanisch, aber es war nichts dabei, was soviel Überwindung kostete wie die Dinge vom Vorabend.
Nach dem Frühstück machten wir noch einen Spaziergang um den gleich neben dem Ryokan gelegenen malerischen kleinen Bergsee, und als wir zurückkamen (es war noch nicht zehn), war unser armer grauer Toyota schon das einzige Auto auf dem Parkplatz, alle anderen Gäste hatten eilig ausgecheckt und waren wohl schon zu ihrem nächsten Ziel unterwegs.
Wir fuhren dann noch auf einen anderen Berg mit einem zauberhaften kleinen See, fielen dort ein bißchen auf, weil Jakob inmitten der zahlreichen ordentlich picknickenden japanischen Familien als einziges Kind im Wasser plantschen durfte. In Seen baden tut man hier nicht (ich habe mich extra erkundigt diesbezüglich): Man badet nur dort, wo es einen extra dafür eingerichteten Bereich und einen Sicherheit gewährleistenden Bademeister gibt. Alles andere wäre viel zu abunai. Das sagte dann auch ein kleines Mädchen, daß uns zuschaute, sehr ernst zu seiner Mutter: "Das ist gefährlich, gell!" Bestimmt ist es auch sehr gefährlich (oder doch zumindest schmutzig!), barfuß durch einen kalten Wasserfall zu waten, oder von seinem Vater mit vollem Speed rennend im Buggy eine Bergstraße heruntergeschoben zu werden. Arme Kinder.Dieser "Eignungstest" im Ryokan klingt ja schon schauderhaft. Ich hoffe, dass ich das auch mal meistern kann ;)
Also nochmal ein dickes Lob für Deinen tollen Blog! Ich freu mich schon auf weitere Geschichten
Mein Mann findet, manchmal schreibe ich zu negativ, aber ich versuche, ebenso zu schreiben, wie ich es sehe. Und manches kommt einem einfach merkwürdig vor. Was mich aber nicht daran hindert, sehr gerne hier zu leben!
bin auch über deinen blog gestolpert.
war vor vier jahren mal in norden. naja, nicht ganz oben, nur bei morioka. kennst du das?
viel spass noch
gruss vom anderen japan-blog
ataje
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