31 Dezember 2006

 

Heute vor einem Jahr...

... sah es hier unglaublicherweise so aus!
Den heutigen Anblick dagegen, mit seinen schmutzigen Schneeresten, erspare ich Euch.

Da es aber nachts jetzt oft recht kalt wird, drohen die meist außen an den Häusern verlaufenden Wasserrohre einzufrieren, wenn man sie nicht abdreht (allein vier verschiedene Hähne in unserem Häuschen). Deshalb gibt es den sehr praktischen Service, daß man im abendlichen Wetterbericht explizit daran erinnert wird, das Wasser abzustellen, wenn die Temperaturen der kommenden Nacht so tief zu fallen drohen.
Und damit allen Leserinnen und Lesern in nah und fern einen guten Rutsch!

30 Dezember 2006

 

Endlich!

Gestern schien der Winter endlich loslegen zu wollen - nach einigen Stunden dichten Schneefalls lagen gute zehn Zentimeter. Aber als ich heute morgen dann die große Schneeschaufel rausholen wollte, um mit dem langersehnten Schippen anzufangen, tropfte und plätscherte es ringsum schon wieder. Tagsüber schien dann die Sonne, und jetzt ist überall nur noch Matsch. Ob das noch was wird in diesem Winter?

PS: Neulich hatte ich ja wieder einmal über das Hundeleben hier in Japan geschrieben - siehe hierzu auch diesen interessanten Artikel in der New York Times, in dem es darum geht, wie der derzeitige Hundeboom dazu führt, daß Hunde in Japan um ein Vielfaches öfter genetische Defekte aufweisen wie sonstwo in der Welt. Zumal diese Defekte von den Züchtern oft gewollt sind und durch gezielte Inzucht hervorgebracht werden, da sie oft mit besonderen Merkmalen wie seltenen Augen- oder Fellfarben einhergehen, die sich viel teurer verkaufen lassen als "normale" Hunde.

29 Dezember 2006

 

Brötlebacken

Zwei Wochen sind nun schon vergangen, ohne daß ich ein Wort über das von der Kitakami International Assembly Hall veranstaltete Plätzchenbäcken (auf schwäbisch "Brötle") geschrieben habe - das soll hier nun nachgeholt werden. Es fand am dritten Advent statt, zu der für mich immer noch gewöhnungsbedürftigen Zeit 13h30 - so wie in Deutschland alle Nachmittagsveranstaltungen um 15 Uhr beginnen, tun sie das hier um halb zwei, manchmal auch um zwei. Und Abendveranstaltungen fangen hier nicht um acht oder halb neun an, sondern eher um sieben. Andere Länder, andere Zeiten.

Es versammelten sich also zwei Dutzend backwillige Damen und Herren, gebacken wurden Ausstecherle, Butter-S, Haselnußmakronen, Vanillekipferl und Lebkuchen, an jedem der fünf Tische eine andere Sorte. Und alles klappte bestens - die Organisation war hervorragend, alle Öfen funktionierten, alle Zutaten waren da, alle Backenden überaus geschickt und konzentriert bei der Sache. Dazu gab es Glühwein zum Probieren, der auf reges Interesse stieß. Ich habe vor kurzem Mal gelesen, daß man japanischen Sake auf die gleiche Weise zubereiten kann und dieser Glühsake dann hervorragend schmeckt, hatte mich aber nicht getraut, das hier auszuprobieren.



Die Damen waren noch am Spülen und Aufräumen, da wurde hier schon probiert.

Danach hielt Thomas noch einen Vortrag über Deutschland im Allgemeinen und die Advents- und Weihnachtszeit im Besonderen, bei deren Vorbereitung ich allerhand gelernt habe. Ich hatte z.B. nicht gewußt, wer der Nikolaus tatsächlich war, wie der Adventskranz erfunden wurde, seit wann Weihnachten mit einem Christbaum gefeiert wird und was es mit dem Weihnachtsmann auf sich hat (eine vom Nikolaus abgeleitete, von Coca-Cola gepushte Kommerzfigur) - das Ganze war also lehrreich für alle Beteiligten, und im Anschluß wurde noch rege diskutiert.


Und zum Schluß konnten wir außer jeder Menge netter Eindrücke auch dieses Porträt mit nach Hause nehmen, das eine der Damen von Jakob gezeichnet hatte.


Nachtrag zum Weihnachtsmann:

Er ist mit Sicherheit aus der Figur des Nikolaus entstanden, die ihren historischen Ursprung in der Figur des Hl. Nikolaus, des Bischofs von Myra in Kleinasien, hat. Er soll ein weiser und wohltätiger Mann gewesen sein, der sein Vermögen dazu nutzte, den Armen zu helfen. So soll er drei mitgiftlosen Töchtern einer sehr armen Familie die Heirat ermöglicht haben, in dem er nachts (da er zu schüchtern war, ihnen das Geld direkt zu geben) Goldstücke durch den Schornstein hinabwarf, die in den zum Trocknen am Kamin aufgehängten Socken landeten - daher der englische Brauch des Strümpfeaufhängens. Armen Kindern, die selbst im WInter barfuß laufen mußten, schenkte er Schuhe, so die Sage, und als sie hineinschlüpfen wollten, waren sie bis oben mit Süßigkeiten und Geschenken gefüllt - daher stellen Kinder am Nikolaustag Schuhe vor die Tür. Bis um das Jahr 1800 war der Nikolaustag vielerorts der Hauptbeschertag für die Kinder. Erst später wurde der Nikolaus vom Christkind und Weihnachtsmann mehr und mehr aus seiner Rolle als Gabenbringer verdrängt.

Die ZEIT schreibt hierzu (1999): " Die Figur des Weihnachtsmanns hat sich ganz allmählich zu dem heutigen Stereotyp entwickelt. Der heilige Nikolaus wurde schon in vergangenen Jahrhunderten in Europa als Geschenkebringer verehrt, allerdings immer als hoch gewachsene, ernste Bischofsfigur, mit Gewändern in ganz unterschiedlichen Farben. Als holländischer Sinter Klaas gelangte er nach Amerika, und dort beschrieb ihn 1821 der Dichter Clement C. Moore in seinem Gedicht A Visit from St. Nicholas erstmals als kleines, fröhliches Dickerchen - allerdings in Elfengröße. Illustratoren wie Thomas Nast zeichneten "Santa Claus" dann schon in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Gestalt, die wir heute kennen, allerdings meist in Schwarzweiß.
Erst in den zwanziger Jahren schließlich begann der heute übliche rot-weiße Weihnachtsmanndress über die anderen Farben zu dominieren. Am 27. November 1927 schrieb die New York Times: "Ein standardisierter Santa Claus erscheint den New Yorker Kindern. Größe, Gewicht, Statur sind ebenso vereinheitlicht wie das rote Gewand, die Mütze und der weiße Bart." Erst 1931 erschien die erste Coca-Cola-Anzeige mit dem rot-weißen Weihnachtsmann, entworfen von dem Grafiker Haddon Sundblom. Aber sicherlich haben die alljährlichen Werbefeldzüge zur Verbreitung des Einheitsweihnachtsmanns beigetragen. "


28 Dezember 2006

 

Ohne Abschied und Umschauen

Jakob auf dem Weg zu unserer Nachbarin, die ihn zweimal wöchentlich hütet, wenn ich Japanischunterricht habe. Ihre kleine Tochter hat jetzt Schulferien und kommt ihn immer abholen, was ihm sehr gefällt, und dann stiefeln sie zusammen los, quer über den Hof.
Heute hat er sein ganzes Werkzeug mitgenommen, ein Set aus Plastikschraubenzieher, - säge, - hammer etc, falls es dort was zu richten gibt.

27 Dezember 2006

 

Das große Schenken

Das Jahresende naht, und das wird hier in Japan traditionell groß gefeiert. Nicht nur mit echten Feiertagen (die meisten Japaner haben da tatsächlich gut eine Woche am Stück frei) und Tempelgängen, sondern auch jeder Menge Geschenke (oseibo = Jahresendgeschenke), die man Kollegen, Freunden und Verwandten zukommen läßt . Mit Weihnachtsgeschenken haben diese nichts zu tun (obwohl die zunehmend populärer werden), denn Weihnachten wird hier traditionell nicht gefeiert.
Meistens bestehen oseibo in Lebensmitteln; beliebt sind Schinken und Wurstwaren, Speiseöle, Bier- und Saftdosen in Großpackungen, Fertigessen, Kaffee und Tee, Gewürze, Kekse und Gebäck, Früchte, Fisch und Meeresfrüchte, auch Reis. Aber auch andere Konsumgüter des täglichen Lebens (Waschmittel, Seife, Putzmittel) werden verschenkt. Die in allen Geschäften in den Wochen vor dem Jahresende bergeweise erhältlichen, schon fertig eingepackten Pakete kosten von 3000 bis 10000 Yen, der Schnitt liegt bei 5000. Art und Preis der Geschenke hängt von der Beziehung zum Beschenkten ab. In der Regel bekommt der Chef das teuerste Geschenk. Praktisch, daß in diese Zeit auch der Bonus fällt, den die meisten Angestellten von ihrer Firma bekommen!
Schon seit Monaten gibt es in allen Geschäften, Kaufhäusern und auch bei Post und Bahn dicke Kataloge (siehe links), in denen auf Dutzenden bis Hunderten von Seiten alle Arten von Geschenken zu ordern sind, die dann direkt den Empfängern zugestellt werden.

Wer möc
hte nicht gerne eine Jahresportion Ariel ("Arieeru")bekommen? Oder einen ordentlichen Vorrat Nescafé (pardon, aber ich kriege das Foto einfach nicht gedreht)?

Oder sauer eingelegten weißen Rettich, eine Delikatesse?














Andere mögliche Geschenke: Obst, Fischeier (?), Bier, Schinken:

Und so sieht es derzeit in wirklich jedem Supermarkt aus:

Bin ich froh, daß ich kein japanischer Chef bin - da muß man ja das ganze nächste Jahr über aufbrauchen, was man von seinen ganzen Mitarbeitern an Kaffee, Ariel und was weiß ich geschenkt bekommen hat, ohne je selbst was aussuchen zu können!

26 Dezember 2006

 

Da bleibt einem der Christstollen im Halse stecken

Habe gerade gelesen, daß hier in Japan gestern vier zum Tode Verurteilte hingerichtet wurden. Und zwar durch den Strang. Ich wußte zwar, daß die Todesstrafe hier noch nicht abgeschafft ist, hatte aber irgendwie im Kopf, daß ihr Vollzug derzeit suspendiert ist (vielleicht auch eine Art Wunschdenken). Umso schockierender diese Nachricht.
In den Medien wurde nur die Vollstreckung der Urteile kurz berichtet, ansonsten aber nicht weiter darüber diskutiert. In der Öffentlichkeit ist das auch kein Thema, da die meistenJapaner dafür sind - womit die Regierung auch die Beibehaltung der Todesstrafe rechtfertigt. Dabei wissen viele Japaner wenig über die extrem harten Haftbedingungen, Vollstreckungsweise und die in der Vergangenheit aufgetretenen Fälle, in denen Verurteilte doch noch ihre Unschuld beweisen konnten. Die Verurteilten leben im Schnitt etwa siebeneinhalb Jahre in völliger Isolation, bevor sie exekutiert werden, in der ständigen Gewißheit, daß jeder Morgen ihr letzter sein könnte. Und ihre Familien erfahren erst aus der Presse von der Hinrichtung.
Mehr Informationen hier, bei amnesty international und in diesem Artikel aus der Süddeutschen Zeitung. Und hier eine Liste der derzeit in Japan zu Tode Verurteilten (leider nur auf japanisch).

25 Dezember 2006

 

Fast weiße Weihnachten

Ja, fast hätte es doch noch geklappt mit dem Schnee zu Weihnachten. Als wir am 23. spätabends von einer Essenseinladung nach Hause kamen, schneite es jedenfalls dicken Flocken, die sogar liegen blieben. Am nächsten Morgen lagen dann zwar 5 cm, aber die tauten im Laufe des Tages zügig wieder weg. Also kein Vergleich zum letzten Jahr.
Auch nicht, was den Rest des Tages betraf: Wir hatten dieses Jahr weder Gäste noch den niedlichen kleinen Weihnchtsbaum, den Freunde uns letztes Jahr geborgt hatten (vor kurzem ist dessen Topf zu Bruch gegangen und sie haben ihn direkt in die Erde gepflanzt). Also kein Festessen, sondern ein friedlicher Familienabend mit ein paar Geschenken (an denen Jakob keinerlei Interesse zeigte, solange sie eingepackt waren), ein schnelles Abendessen und frühes Schlafengehen (wir waren alle total kaputt von der vorigen Nacht, in der Jakobs Husten uns durchgängig wachgehalten hatte.
Heute ist hier ein normaler Arbeitstag. Gefeiert wird erst der Beginn des Neuen Jahres (diesmal das Jahr des Wildschweins), die Feiertage dazu beginnen am Freitag und dauern bis zum dritten Januar.
So, und jetzt noch allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs in nah und fern schöne friedliche Weihnachtstage!

22 Dezember 2006

 

Kitakami rockt

Abendliche Session

Strumpfhosenrocker

Harmonie mit vier Stöcken

Aua!


Das Schlagzeug läßt sich zum Glück in der Lautstärke so regeln, daß die Baßtrommel die Nachbarn (zur Erinnerung, die nächsten beiden Häuser stehen jeweils zwei Meter von unserem entfernt) nicht vom Futon bläst.

21 Dezember 2006

 

Furoshiki

Es gibt eine wunderschöne japanische Tradition, jegliche Art von Gegenständen schön und praktisch mit einem Stück Stoff, furoshiki genannt, einzupacken. Das japanische Umweltministerium versucht derzeit, den Gebrauch von furoshiki wieder populärer zu machen, um den Everest-hohen Plastik- und Papiermüllberg zu reduzieren. Dazu hat es eine Anleitung zur Verwendung dieser Tücher ins Netz gestellt. Von dieser Seite stammt auch die obige Illustration.
Allerdings darf man nicht darauf hoffen, demnächst Geschäfte und Kaufhäuser mit solchen hübschen Päckchen zu verlassen. Den Tütenverbrauch wird die Initiative nämlich nicht reduzieren, daran wird bei der japanischen Verpackungsmentalität vorerst nicht zu denken sein, sondern nur den daraus resultierenden Müll: Das von der Umweltministerin vorgestellte Tuch wird aus recycelten PET-Flaschen hergestellt.

 

Hundefreunde

Nicht alle Hunde hier leben wie dieser. Oder auch wie diese wie Püppchen ausstaffierten Zierkreaturen. Nein, wir haben bei einer Freundin zuhause doch tatsächlich auch Hunde kennengelernt, die ein nach europäischen Hunderhaltermaßstäben normales Leben führen, mit der Familie im Haus, anstatt einsam vor der Tür an einer kurzen Kette.


Jakob weiß das sehr zu schätzen, er hat gerne Hundegesellschaft.
Wenngleich ihm die Gesellschaft hier dann aber doch zu weit ging, diese hoffnungslos verfressenen Viecher hatten es auf seine Schokolade abgesehen und rückten ihm sehr eng auf den Leib.


Gut Freund ist er auch mit diesem entzückenden Gesellen. Der Arme hängt leider auch wieder an einer Leine, diesmal vor einem Restaurant, hat sich aber einen sonnigen und und freundlichen Charakter bewahrt und freut sich sichtlich über jeden Besuch und jede Streicheleinheit.

20 Dezember 2006

 

Das geheimnisvolle Haus

Auf der Suche nach Stoff für diesen Blog bin ich mal wieder in der Nachbarschaft fündig geworden. Dieses schon äußerlich merkwürdige Haus hat auch merkwürdige Bewohner; (vielleicht ist es auch nur einer). Nicht, daß man sie oft sehen würde, nur ihr Autos und die Wäsche. Das schwarze Auto auf dem Bild steht immer da, wird überhaupt nie gefahren. Ein zweites ist tagsüber weg. Ja, und dann die Wäsche. Es hängen IMMER eine Männerunterhose und ein Hemd oder T-Shirt zum Trocknen im offenen Fenster im ersten Stock. Kurios, oder?

19 Dezember 2006

 

Auftanken

Obwohl es immer noch nicht sehr kalt ist, der Schnee von gestern abend ist auch schon wieder weggetaut, heizen wir schon seit November den ganzen Tag, ungeheizt (morgens auch, brrr!) ist es in unserem nicht isolierten Häuschen kaum wärmer als draußen.
Und so tanken wir unsere drei Kerosinöfen auf: Per Kanister kaufen wir das Kerosin im Baumarkt, einer (18 l) kostet etwas über tausend Yen); wir haben drei davon, die dann zwei bis drei Wochen reichen. Und diese praktische kleine, automatisch stoppende Elektropumpe sorgt dafür, daß es beim Umfüllen nicht jedes Mal eine Riesensauerei gibt, sogar ich schaffe das Auftanken inzwischen, ohne daß ein Tropfen danebengeht.
Hat aber schon etwas Archaisches, oder?

 

Tokyo-Tour

Letzte Woche haben wir ja eine Tagestour nach Tokyo gemacht, um uns endlich ordnungsgemäß bei der Botschaft anzumelden. Falls mal was ist und man einen neuen Paß braucht oder irgendwas sonst, sind die dort nun direkt für uns zuständig.
Eine Tagestour ist bei je 500 km hin und zurück eigentlich absurd, aber irgendwie ging's zeitlich nicht anders, und dieser wundervolle, schnelle, bequeme, stets pünktliche Shinkansen (siehe auch am Ende dieses Posts), der ja praktischerweise direkt in Kitakami hält, macht's möglich. Und wir mußten noch nicht mal besonders früh aufstehen: Kurz nach acht fuhren wir los, um halb elf (zweieinhalb Stunden für 500 km!!!) waren wir auf die Minute pünktlich in Tokyo. Wie macht JR das? Warum schaffen andere Eisenbahnunternehmen das nicht? Immer wieder die gleichen Fragen.
Hier einige Eindrücke von unterwegs:

Schön sind die japanischen Städte ja allesamt nicht. Und sie sehen wirklich alle so aus. In der Nähe von Tokyo ist dann gar kein Freiraum mehr zwischen der einen und der nächsten.
Was es mit der Blumenlok auf sich hat, weiß ich nicht - vielleicht ein kleiner Gruß an die Vorbeifahrenden?
In Tokyo ging es dann in einer knappen halben Stunde zur Botschaft. Obwohl diese Stadt so dermaßen riesig ist, kommt man doch dank des guten U-Bahnnetzes bequem überall hin. In der Botschaft erwartete uns schon Frau Terai (unsere Freundin aus Kitakami), die in diesen Tagen auch in Tokyo zu tun hatte und mit der wir uns zum Mittagessen verabredet hatten. Sie war früher frei als geplant und kam deshalb direkt in die Botschaft. Aber erst mußten wir die Anmeldung bewältigen, ein paar lange Formulare zum Ausfüllen, einen Eintrag in den Paß, jetzt wohnen wir endlich offiziell in "Kitakami, Japan". Der sehr freundliche und aufmerksame Konsularbeamte machte uns dann noch darauf aufmerksam, daß Jakobs Kinderausweis nicht mehr gilt, da die zum Stempeln vorgesehene Fläche voll ist. Er konnte uns aber keinen neuen machen, da dieser Kinderersatzpaß wohl seit einem Jahr nicht mehr ausgestellt wird. Deshalb sollte es dann ein neuer Euroreisepaß sein - wozu man aber ein biometrietaugliches Paßbild braucht, welches u.a. folgende Merkmale aufweist:
01. Bildgroße 35 x 45 mm
02. Gesichtshöhe 32 - 36 mm vom Kinn bis zum Haaransatz
03. Kopfhaltung gerade
04. Frontalaufnahme
05. Gesichtsausdruck neutral
06. Lippen geschlossen
07. Augen offen und deutlich sichtbar
Hatten wir gerade keines dabei, aber in der Nähe gab es einen kleinen Fotoladen, der auch Paßbilder machte. War nur die Frage, ob Jakob da mitmacht - Gesichtsausdruck neutral, Kopfhaltung gerade???
Wir also los, obwohl der Konsulardienst eine halbe Stunde später zumachen sollte, wurde uns versprochen, man würde auf uns warten, sehr nett. Den Laden zu finden, war kein Problem, Jakob auf dem Stühlchen zu platzieren, schon eher; er wollte da eigentlich nicht lange alleine sitzen bleiben und schon gar nicht neutral schauen. Nach etlichen Anläufen (ein Lob der Digitalfotografie!) war dann doch ein taugliches im Kasten, und in den zehn Minuten des Wartens auf das fertige Bild gingen wir schnell in den Supermarkt gegenüber, der ein überwiegend europäisches Warensortiment aufwies - da konnte ich noch schnell kaufen, was an Backzutaten in Kitakami nicht aufzutreiben gewesen war. Zurück im Laden zeigte sich, daß das ausgewählte Bild doch nicht tauglich gewesen war - ein Ohr war nur halb drauf, das Gesicht nicht gerade genug ausgerichtet gewesen. Beim erneuten Anlauf war Jakob jetzt eindeutig nicht mehr gewillt mitzumachen, heulte, zappelte, schaute überall hin, nur nicht in die Kamera, kurz, der Paßantrag drohte zu scheitern. Der Fotograf hatte dann die Idee, ich solle die Kamera nehmen - und erstaunlicherweise hielt Jakob dann halbwegs still und hörte auf zu weinen. Ein schönes Bild entstand dabei nicht, Jakob sieht aus wie auf einer Werbung für die Aktion Sorgenkind oder die SOS-Kinderdörfer. Aber Hauptsache biometrietauglich.

Wir kamen lange nach Büroschluß um zwölf in die Botschaft zurück, aber das war wirklich kein Problem; sie sind da wirklich sehr freundlich und hilfsbereit, vor allem, wenn man von so weit weg anreist. In ein paar Minuten waren wir dann fertig, der Paß wird uns zum Glück zugeschickt, wenn er fertig ist.
Beim Verlassen der Botschaft hatte ich dann noch ein kleines Nostalgie-Erlebnis: Auf einem der im Hof geparkten Diplomatenautos klebte dieser Aufkleber! Kleine Welt! (für nicht-informierte Leser: Ich komme aus diesem entzückenden kleinen Städtchen am Bodensee).
Fürs Mittagessen fanden wir dann ein nettes Restaurant mit einer originellen japano-asiatischen Küche, vor dem wir prompt den Botschaftsangestellten trafen, der uns vorher beraten hatte. Danach machten wir mit Frau Terai noch einen Spaziergang durch den Park nebenan, weil wirklich prächtiges Herbstwetter war. Die Bäume waren zum Teil noch sehr schön rot und gelb, keine Spur von Weihnachten. Einen netten Spielplatz fanden wir dann auch, wo Jakob erstaunt feststellte, daß fast alle anderen Kinder aussahen wie er (die Botschaft liegt in einem ausgesprochenen Ausländerviertel). Als dann die in der Wettervorhersage angekündigten ersten Tropfen fielen, fuhren wir zurück in Richtung Bahnhof, wo wir mit dem inzwischen eingeschlafenen Jakob im Buggy noch ein wenig umherschoben, bis wir das in ca. 5 Gehminuten vom Bahnhof gelegene Tokyo International Forum erreichten, ein riesiger und sehr moderner - wie auch anders im Herzen Tokyos! - Veranstaltungs- und Ausstellungskomplex. Er beherbergt unter anderem das (unspektakuläre) "Reis- und Lebensmittelmuseum", in dem wir zum Dank für die Teilnahme einer Umfrage zur Popularität einer lokalen Reissorte dieses unsägliche Maskottchen bekamen. Es heißt übersetzt "Reisschüssel" (steht auf dem Etikett) und soll tatsächlich eine solche darstellen. Da ein japanisches Maskottchen aber vor allem niedlich (kawaiiii!) sein muß und eine Reisschale nun erst mal nichts Niedliches hat, wurde sie als Hündchen verkleidet. Falls jemand dieses Ding haben möchte, bitte melden!
Auf dem Rückweg stießen wir noch auf zwei sehr schöne, sehr original französische Bistrots ("Aux Amis" und "Viron", falls jemand mal hinkommt!), in eines kehrten wir ein. Thomas war dann sehr angetan vom letzten Schrei auf dem Getränkeautomatenmarkt: Automaten, die aktuelle Nachrichten und Börsennachrichten anzeigen (hier gerade eine Nachricht mit 10 Toten). Ich fand diese sehr aufwendige Baustellenbeleuchtung, die sich über zwei lange Straßenzüge hinzog, sehr schön.


Um halb sechs fuhr dann unser Zug (wir hatten also fast einen ganzen Tag in Tokyo gehabt, trotz der 500 km Entfernung), um halb neun waren wir zurück in Kitakami.
Hier noch ein paar Bahnhofseindrücke:

Jakob liebt den Shinkansen natürlich auch.

Die Damen in rosa haben sich jede genau an den Türen des nächsten einlaufenden Zuges postiert, um den aussteigenden Fahrgästen mit einem "Vielen Dank!" eventuellen Müll abzunehmen (obwohl es sowohl im Zug wie auch auf den Bahnsteigen Mülleimer gibt) und sodann das Zuginnere nach einem minutengenauen Zeitplan für die nächste Abfahrt bereitmachen. Dazu gehört auch, daß sie alle Sitze in die neue Fahrtrichtung ausrichten. D.h., man muß hier nie mit dem Rücken voran fahren. Hier ist man als Kunde wirklich König.

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