28 April 2006

 

Thomas and friends

Von links nach rechts: Thomas, James und Edward.
Das sind sie, die Jungs, die seit einer Weile unser Wohnzimmer bevölkern, so wie wahrscheinlich sämtliche Wohnzimmer aller Familien in ganz Japan, zu denen kleine Jungen zwischen 1 und 5 Jahren gehören. Um "Thomas and friends" kommt man einfach nicht herum. Sie basieren auf 60 Jahre alten englischen Kindergeschichten ("Thomas the tank engine") und sind hier omnipräsent; als Spielzeugmodelle jeglicher Größe, Beschaffenheit und Antriebsweise, auf Kleidern, Eßbestecken, Windeln, Keksen, Briefpapier, Lätzchen, Klositzen, Sandeleimern, in Büchern, DVDs und Musik-CDs, etc. pp.
Wenn Thomas sich irgendwo vorstellt, löst er damit immer große Freude aus "Oh, wie die Lokomotive!"

 

Jetzt geht's lohos!

Die Kirschblüte fängt tatsächlich an. Pünktlich zum Wochenende. Da werden dann die obligatorischen blauen Picknick-Plastikplanen herausgeholt und euphorische Familien, Freundeskreise, Firmenbelegschaften, Sportvereine etc. besetzen jeden verfügbaren Quadratzentimeter unter den Bäumen. Leider ist nur für morgen schönes Wetter angesagt, deshalb wird wohl das für Sonntag geplante Hanami(Kirschblütenschauen)-Barbecue mit den Nachbarn ins Wasser fallen. Da müssen wir eben morgen schon mal unser eigenes kleines Familienpicknick organisieren. Bilder folgen!

Das japanische Internet-Gesetz enthält ja eine Regelung, die es vorschreibt, daß in allen Japan-Blogs zur Kirschblütenzeit Bilder von Bäumen in voller Blüte zu sehen sind. Das wird streng kontrolliert, was man an den Blogs sehen kann: wie eine Welle schwappen die rosa Blüten ab Ende März von Südjapan herauf, bis dann im Mai die nördlichsten Blogs auf Hokkaido als letzte davon Zeugnis ablegen.

Deshalb ab morgen hier natürlich auch Kirschblütenbilder.

Aber hier erst mal ein bißchen gaaanz frischen Ingwer, den es bei uns gestern zum Abendessen gab.

Und mal wieder Jakob auf dem Spielplatz.

Und beim Erdbeerenessen.



Eklig, das grüne Ding!


27 April 2006

 

Bald...

... ist es so weit. Nur noch wenige Tage bis zur fast schon frenetisch erwarteten Kirschblüte, die Japan alljährlich in einen regelrechten Rausch versetzt. Die Bäume sind schon ganz rosa, trotz noch geschlossener Knospen. Wir sind hier beinahe die letzten, fast überall im Land ist sie schon längst wieder vorbei .

Die offizielle Vorhersage für Nordjapan gibt's hier. Die aber falsch ist, es werden mindestens fünf, sechs Tage später.

Jakob ist das egal, er freut sich schon jetzt über den Frühling.

Thomas auch.


26 April 2006

 

Zufrieden

Gestern und heute habe ich allerhand geschafft: Einen Flug nach Osaka gebucht, ein neues Sparbuch beantragt und bekommen und mit dem Auto zur Frühjahrsinspektion und Reifenwechsel gewesen. Alles allein und auf japanisch, wohlgemerkt, bin entsprechend zufrieden mit mir!

Die Dreiviertelstunde beim Toyota-Händler war wieder ein Erlebnis der besonderen Art. Nicht, daß ich generell viel Erfahrung mit Autohändlern hätte, aber so wie hier ist es anderswo bestimmt nicht:

Man kommt rein, gleich kommt jemand angehastet, um einen mindestens so zu empfangen, als wolle man das neueste Luxusmodell kaufen. Aber selbst, wenn man nur die Inspektion in Auftrag gibt, wird man aufs Höflichste in die Wartezone gebeten und bekommt von einer jungen Dame im dunklen Kostüm ein von der Karte zu wählendes Getränk serviert. Eine sehr großzügige Kinderspielecke gibt es auch, mit Schaukel und Rutsche und allerhand buntem Plastikkram, Jakob hat sich auf Beste amüsiert, er wurde immer aufgedrehter.
Hier ein Bild, das aus dem letzten April stammt, als wir das Auto gekauft haben. Hatte heute leider die Kamera nicht dabei.

Als er allerdings gemerkt hat, daß überall bunte Automodelle in Schaukästen herumstehen, mit denen er nicht spielen durfte, war's vorbei mit der guten Laune. Und leider bekamen wir auch keines davon geschenkt, wie ich heimlich spekuliert hatte. Dazu waren wir dann wohl doch nicht bedeutend genug als Kunden. Aber dann war auch alles schon fertig. Und gewaschen und gestaubsaugt hatten sie den Wagen auch; hatte ich ein schlechtes Gewissen, wegen des ganzen Kinderkrams und der Massen von Kekskrümeln, die sich seit der letzten Inspektion angesammelt hatten. Und obwohl die Inspektion nur 2000 Yen gekostet hat, geleitete uns der Kundendienstler aufs Zuvorkommendste hinaus, wartete strammstehend, bis Kind und ich eingestiegen und festgeschnallt waren und verbeugte sich beim Wegfahren, als hätte ich soeben mehrere Millionen Yen bei ihm gelassen. König Kunde halt.
Innerlich gelobte ich mir deshalb natürlich, falls ich je in die Lage kommen sollte, ein neues teures Auto zu kaufen, muß es ein Toyota sein.

Danach waren wir dann noch im Supermarkt, und haben da gleich das nächste Beispiel für "Sabissu" (Service) angetroffen, das mich immer wieder verblüfft:
Wenn die Kassiererin die Preise der Waren einscannt, stapelt sie diese aus dem ersten fein säuberlich in einen zweiten Einkaufskorb um, den sie dann selbst zu dem großzügig mit den verschiedensten Einpackmaterialien ausgestatteten Einpacktisch (auch so ein japanisches Service-Phänomen) hinüberwuchtet. Dazu muß sie aus ihrer Kassenbucht heraus und insgesamt mindestens je zehn Schritte hin und zurück machen - während es für den Kunden selbst höchstens fünf wären. Ich habe da immer wieder so ein schlechtes Gewissen.

Noch mehr sabissu gab's dann im Bioladen, wo eine Verkäuferin, die Jakob sehr ins Herz geschlossen hat, ihn immer auf dem Arm herumträgt oder draußen spazierenführt, während ich drinnen in Ruhe einkaufe. Sehr bequem.

Und zum Schluß an der Tankstelle bekamen wir noch den Aschenbecher gelehrt, die eh schon sauberen Scheiben gewischt, einen feuchten Lappen gereicht, um innen Staub zu wischen, und beim Wegfahren verbeugte sich schon wieder das ganze Personal und rief laut Danke. Japan ist halt wirklich ein Dienstleistungsland


24 April 2006

 

Wie Sand am Meer


Am Samstag waren wir bei brillantem Wetter an diesem wunderbaren, kiefernumsäumten Strand, den wir neulich entdeckt hatten.


Vor allem Jakob hat es genossen - endlich einmal Wasser zum Spielen und Verschütten in unbegrenzter Menge, Thomas hat per rotem Eimerchen auch brav den Nachschub gesichert, und jede Menge Sand - wie Sand am Meer halt.

Förmchen machen, Burg bauen - verdammt lang her! Und die Sonne brennt hier im April gleich runter wie in Südspanien, wenn sie denn mal scheint. Kurz, es war wie Urlaub. Nur schade, daß das Wasser noch richtig eisig war.

Und total merkwürdig, daß bei solchemTraumwetter an diesem Paradiesstrand am hellichten Samstag so gut wie keine Japaner unterwegs waren. Und überhaupt keine Kinder. Nur Pärchen, die sich in ihrem Wochenendoutfit per Handy-Kamera vor den Wellen knipsten. Und die uns, die wir heftig mit Eimerchen und Schäufelchen zugange waren, dazu noch barfuß und im T-Shirt, wahrscheinlich genauso merkwürdig fanden wie wir sie.

Später haben wir dann doch noch welche gesehen: Die waren alle im nahegelegenen Souvenir- und Einkaufszentrum, wo sie aßen, tranken und Omiyage (ortstypische Mitbringsel) shoppten. Wir natürlich dann später auch, hier:

Komischer Name. Aber leckere Spaghetti.


23 April 2006

 

Text-Recycling

Vor ein paar Monaten habe ich mal einen kleinen Text über unser Leben hier für eine deutsche Zeitung geschrieben, war dann aber zu spät dran damit und es verlief sich im Sand. Damit es nicht ganz umsonst war, le voilà:

Im August 2004 erschien das Damoklesschwert über unseren Köpfen: Auf dem deutschen Arbeitsmarkt war weder für meinen Mann (Molekularbiologe) noch für mich (zu einem Afrika-Thema promovierte Ethnobotanikerin und Geoökologin) derzeit viel zu hoffen; da rief die Anfrage, ob er Interesse habe, an ein biologisches Institut in Nordjapan zu gehen, eine merkwürdige Mischung aus Erleichterung und Unbehagen hervor. Erleichterung, einstweilen doch nicht als Hartz IV-Anwärter zu enden, Unbehagen darüber, wieder einmal die Zelte abbrechen und in völliger Fremde neu anfangen zu müssen. Und dann noch mit Baby, für das gerade alle Aktivitäten – Babyschwimmen, Pekip, Krabbelgruppe usw. – in Frankfurt so schön organisiert waren. Für meinen Mann, der vor zehn Jahren schon einmal fast drei Jahre dort gelebt und seither weiterhin jährlich einige Wochen dort geforscht hatte, war Japan wenigstens kein Neuland mehr. Für mich, nach nur einer zweiwöchigen Blitzrundreise vor zwei Jahren, schon eher. Aber auch nicht der erste Neuanfang in der Fremde: aus Meersburg am Bodensee weg hat es mich nacheinander nach Paris, Bayreuth, Südportugal, Berlin, Frankfurt und Westafrika verschlagen – und überall war es schön. Warum also nicht Japan.
Als wir Ende März aus dem Flugzeug stiegen, war von den Kirschblüten, die wir uns als Frühlingsboten erhofft hatten, noch nichts zu sehen. Der Superschnellzug Shinkansen brachte uns in knapp drei Stunden (und auf die Sekunde pünktlich) 500 km weit nach Norden in unsere neue Heimat Kitakami, eine mittelgroße Industriestadt mit etwas mehr Einwohnern als Konstanz. Aber lange nicht so schön, sondern die Stadt präsentierte sich uns häßlich und kalt im Schneeregen, hier war noch Winter. Und sollte es einstweilen bleiben; bis Ende April froren wir weidlich in unserem frisch gemieteten Häuschen, dessen knapp 80m² leider auch noch fast völlig leer waren – unsere schon sechs Wochen vor der Abreise losgeschickten Möbel und Kartons schipperten noch bis weit in den Mai hinein auf dem Ozean. Ungemütlich war auch, daß es hier keine fest installierten Zentralheizungen gibt, geheizt wird statt dessen mit nach Bedarf aufgestellten Kerosinöfchen. Und bei der in Japan üblichen Leichtbauweise der nicht unterkellerten Häuser ist es schon kurze Zeit nach dem Ausschalten der Öfen schon wieder so kalt wie vorher.
Kurz, diese ersten improvisierten Wochen waren ungemütlich. Wenigstens war mein Mann von Anfang an mit seiner Forschungsstelle an dem von der Präfektur Iwate getragenen Institut mehr als zufrieden. Und ich hatte ja unseren kleinen Sohn, mit dem ich es mir so gut es eben ging zuhause gemütlich machte.



Mit der Maisonne ging es dann schlagartig aufwärts: Jede Menge neue Bekannte, sowohl aus der kleinen internationalen Community, in der fast jeder jeden kennt, als auch aus der unmittelbaren Nachbarschaft und den neuen Babyaktivitäten (ja, auch hier gibt es Krabbelgruppen und Babyschwimmen). Japan ist überhaupt ein kinderfreundliches Land, Kinder sind überall willkommen: In jedem Restaurant gibt es Kinderstühlchen, Wickeltische und Babysitze in der Toilette, in vielen Läden Spielecken. Das städtische Kulturhaus bietet zu vielen Veranstaltungen einen kostenlosen Kinderbetreuungsservice an, zu Vorstellungen im großen Saal kann man Kinder sogar mitnehmen - in einer verglasten Eltern-Kind-Loge stört es niemand, wenn sie mal einen Mucks machen. Vor allem aber freuen sich die Leute überall aufrichtig, Kinder zu sehen. Vor allem unser kleines blondes gaijin-Kind (gaijin bedeutet „Draußenmensch“, also Ausländer), von denen es hier nicht allzu viele gibt, wird überall entzückt empfangen. Er hat uns viele Türen geöffnet und sicher dazu beigetragen, daß uns die Japaner, die wir hier kennenlernten, überhaupt nicht verschlossen und abweisend begegneten, wie befürchtet, sondern mit unerwarteter Offenheit und Wärme. Natürlich erleichtert auch jedes im Sprachkurs neu gelernte Wort den Kontakt zu den Leuten – denn Englisch sprechen die meisten Leute hier kaum oder gar nicht.
Ausflüge in die grandiose Umgebung erweiterten dann ab dem Frühsommer den Horizont: Kitakami liegt in einem weiten Tal zwischen zwei sehr unterschiedlich geformten Gebirgszügen, die von malerischen Flüssen durchschnitten werden. Jenseits der Gebirge liegt jeweils das Meer – gut erreichbar für einen Tagesausflug. Und überall gibt es Onsen, die berühmten heißen Quellen, in denen man sich – idealerweise mit Blick auf eine schöne Berg- oder Flußkulisse – stundenlang durchweichen lassen kann. Japan ist ein buchstäblich heißes Pflaster, die Erdkruste ist hier sehr aktiv. Deshalb die heißen Quellen überall, die vielen aktiven Vulkan im ganzen Land, und nicht zuletzt die regelmäßigen Erdbeben. Etliche haben wir inzwischen erlebt, Stärke 1 oder 2 gibt es fast wöchentlich, 3 vielleicht einmal im Monat, und das stärkste erreichte 5,4 auf der Richterskala. Passiert ist nichts, außer einer umgefallenen Shampooflasche. Aber man gewöhnt sich auch nicht daran, zu unheimlich ist es, wenn der Boden unter den Füßen plötzlich nicht mehr fest ist. Und zu groß die statistische Wahrscheinlichkeit eines wirklich großen Bebens. Deshalb sind nicht nur wir, sondern auch die bebenerprobten Japaner, immer wieder erleichtert, wenn nach ein paar Sekunden die Welt wieder still liegt.
Kitakami selbst - der Name bedeutet sinngemäß „oben im Norden“, die Stadt liegt jedoch etwas südlicher als Madrid - ist, wie die meisten japanischen Städte, eine skurrile Mischung aus Beton, Neon und Plastik, die Straßen erinnern an amerikanische suburbs, überall Supermärkte, Autohändler, Baumärkte. Nur hie und da kleine Oasen der Ruhe und Schönheit, da ein Tempel mit seinem baumreichen Garten, dort ein im klassisch japanischen Stil gestalteter Park. Es läßt sich gut leben hier, zu kaufen gibt es alles, was man braucht, nach ein bißchen Suchen: vom französischen Croissant über Babygläschen (etwas andere Menüs als bei uns) bis hin zu Ritter-Sport-Schokolade und Vollkornmehl. Und obwohl die meisten Japaner ihre Lebensmittel in gigantischen, hervorragend sortierten Supermärkten kaufen, gibt es doch einen kleinen Bioladen und einen Biobauern, der uns wöchentlich eine Kiste mit frischem Gemüse ins Haus bringt.
Nach sieben Monaten im Land fällt die Bilanz mehr als positiv aus: Noch immer sind wir erstaunt, wie schnell man sich zuhause fühlen kann in diesem Land, dessen Sprache wir erst teilweise verstehen, und wie wenig konkrete Schwierigkeiten die Übersiedelung hierher brachte (eine davon war anfangs, daß ausländische Kreditkarten fast nirgends akzeptiert werden; mittlerweile, dank japanischem Konto, ist dies kein Problem mehr). Ein bißchen kompliziert sind Arztbesuche, erstaunlich wenige Ärzte sprechen englisch, aber zum Glück waren bisher nur die Routinechecks beim Kinderarzt fällig, und da fanden sich immer freiwillige Dolmetscher aus dem Bekanntenkreis.
Überraschend auch, daß das Leben in dieser ländlichen Gegend viel billiger ist als erwartet, nach allem, was man so hört über Japan – was aber meist eher für die Großstädte gilt. Und schön ist, daß es trotz der sich einstellenden Vertrautheit mit dem Leben hier immer noch täglich neue Dinge gibt, die einen staunen oder schmunzeln lassen: Etwa die jetzt überall auf Balkons, Wäschestangen und Geländern zum Trocknen aufgehängten Rettiche und Kakis, letztere aufgefädelt wie Perlen auf der Schnur. Sie werden so für den Winter haltbar gemacht. Oder die unzähligen, in Europa nie zuvor gesehenen Automodelle, die seltsame Namen tragen wie Platz, Vitz, Opa, oder Naked (von Toyota und Daihatsu) – westlich klingende Namen sind en vogue. Und vieles mehr.
Die wirklich einzige kleine Sorge ist jetzt die, wie der lange Winter wird; vier Monate „Ski und Rodel gut“, aber bei mäßiger Heizung – wir sind gespannt! Und freuen uns auf den nächsten Sommer, der ist hier deutlich wärmer als in Deutschland. Und wie ist das dort mit Weihnachten? fragen jetzt vielleicht einige Leser. „kurisumasu“ (vom englischen Christmas) ist beliebt: Seit Ende Oktober prangt in den Geschäften die Weihnachtsdekoration, inklusive Beschallung mit „Jingle Bells“ und „Stille Nacht“. Und es stapeln sich fertig verpackte Geschenksets, wie z.B. eine Jahresdosis Waschmittel, ein 5er-Set Sojasauce oder drei verschiedene Instantkaffees, alles aufwendig verpackt. Denn Weihnachten ist nur für die ca. 1 % Christen in der Bevölkerung ein religiöses Fest. Für die übrigen 99 % ist es in erster Linie ein schöner Anlaß zum Konsumieren und Schenken. Gefeiert wird bei den meisten Japanern dann erst zum Jahreswechsel: Hier wird Neujahr im trauten Familienkreis begangen, mit gutem Essen und besinnlicher Stimmung. In der Skala der Familienfeste entspricht es durchaus dem europäischen Weihnachstfest. Und eines haben hier in Nordjapan Weihnachten und Neujahr gemeinsam: Ein weißes Fest ist garantiert. Dieser Dezember brachte schon gute 40 cm Schnee, und fast täglich werden es mehr.

21 April 2006

 

Oster-Nachtrag

















Da mußte ich schon lachen...

20 April 2006

 

Gefährliches Leben, gefährliche Welt


Diese anschauliche Warntafel steht am Flußufer unterhalb eines Stausees in den Bergen und warnt vor Wasserablassung aus dem See: "Sirene! Wasser kommt, schnell ans Ufer gehen!" Die Flutwelle sieht ja auch wirklich sehr gefährlich aus, das ist doch mal eine richtige Gefahrensituation!
Aber auch sonst ist das Leben japanischer Kinder voller Gefahren. Deshalb ist das Wort, das sie von frühester Kindheit an am häufigsten hören, sicherlich "abunai!" - gefährlich.
Wenn sie auf ihrem Roller mehr als drei Meter von ihrer Mama wegfahren - abunai!
Wenn sie auf der einen Meter langen Plastikrutsche auf dem Bauch rutschen wollen - abunai!
Wenn sie sich einem gefluteten Reisfeld auf fünf Meter nähern - abunai!
Ganz zu schweigen von Straßen und Autos: das Sträßchen, das an unserem Haus vorbei führt, wirdwirklich wenig und langsam befahren, ich glaube, ein Kind hätte kaum eine Chance, sich hier überfahren zu lassen, selbst wenn es alles drauf anlegen würde; aber ein Schritt in diese Richtung - abunai, abunai, abunai!! Und wenn tatsächlich in der Ferne ein Auto auftaucht, springen die Mütter herbei, reißen ihre Kinder (die meist schon von selbst auf dem Weg dorthin sind, sie sind ja nicht blöd) an den Straßenrand, halten es dort schützend umfaßt - abunai, abunai, abunai!!

Wie soll man da lernen, auf sich selbst aufzupassen, Risiken abzuwägen und sie dann vielleicht sogar einzugehen?
Das wird dem einzelnen in der hiesigen Gesellschaft weitgehend abgenommen. Bzw. im öffentlichen Raum wird man so behandelt, als sei man ein zweijähriges Kind.

Das führt dann dazu, daß Autos ein durchdringendes Signal von sich geben, wenn sie rückwärts fahren, Lastwagen per Lautsprecherstimme verkünden, wenn sie abbiegen, eine in die Rolltreppen integrierte Stimme verkündet, daß die Rolltrepe hier zu Ende ist und man auf seine Füsse aufpassen soll.

Schön auf den Punkt gebracht wurde das in einem anderen Japan-Blog, aus dem ich einfach mal zitiere:

Reisen unter Lebensgefahr
von AttilaWurm @ 2005-07-15 - 02:09:15
Wenn Japaner ins Ausland reisen, tun sie das meistens in Gruppen. Man nimmt auf diese Weise ein Stück Japan mit und schützt sich vor dem Abgleiten in fremde Welten...
Es ist ja auch wirklich sehr gefährlich für Japaner im Ausland. Sie sind ein begehrtes Ziel für Taschendiebe und unlautere Verkäufer, die für ihre Kunden je nach Herkunftsland verschieden hohe Verkaufspreise haben.
Aber eine ganz große Bedrohung der Japaner wird von Nichtjapanern bisher noch viel zu wenig verstanden: Die Gefährdung durch nicht gegebene Information und mangelnde Sicherheitsvorkehrungen.
Beispielsweise ist es für Japaner im Ausland lebensgefährlich mit dem Zug zu fahren, denn niemand gibt ihnen dort die gewohnten und so unentbehrlichen Warnhinweise:"Vorsicht, der Zug in Richtung...fährt ein! Es ist gefährlich, treten Sie hinter die gelbe Linie zurück!""Der Zug ist überfüllt. Nehmen Sie den nächsten!""Der Zug in Richtung...fährt ab, die Türen werden geschlossen. Vorsicht, die Türen werden geschlossen!""Nächste Station: ... (es folgen die Umsteigemöglichkeiten)... Nächste Station: ... Die Türen auf der linken (rechten) Seite werden sich öffnen." (Es folgt mindestens noch einmal der Name der Station.)"Zwischen Zug und Bahnsteig ist ein Spalt. Achten Sie beim Aussteigen darauf, wohin Sie treten!"
Auf der Rolltreppe droht die nächste Gefahr. Niemand sagt: "Vorsicht, die Rolltreppe ist zu Ende. Achten Sie auf Ihren Schritt!"
Dann bemerkt man, dass man keinen Regenschirm und keinen Koffer mehr hat. Im Zug sagte niemand: "Passen Sie auf, dass Sie nichts im Zug vergessen! Nehmen Sie Ihren Regenschirm mit!"
Vor dem Bahnhof geht es weiter: Gefahren, Gefahren, Gefahren! Die Fußgängerampel schweigt, keine "melody" sagt den Leuten, wann Sie über die Straße gehen sollen. Ein Lastwagen biegt an der Kreuzung ab und schon wird ein japanischer Tourist überfahren, weil der Wagen nur blinkte, nicht aber der Warnruf ertönte: "Vorsicht, ich biege nach links ab!" Ein anderer kommt unter die Räder, weil ein rückwärtsfahrendes Auto kein akustisches Warnsignal ertönen ließ...
Wenn eine japanische Reisegruppe im Ausland ein Schwimmbad besuchen sollte (was zum Glück völlig unwahrscheinlich ist), empfiehlt es sich, vor Ort eine Intensivstation einzurichten. Man muss mit dem Schlimmsten rechnen, denn es fehlen die stündlichen Durchsagen:"Legen Sie vor dem Betreten des Bades Ihre Uhren, Halsketten, Ohrringe... ab!""Laufen Sie nicht!""Steigen Sie langsam ins Wasser!""Für kleine Kinder ist das Betreten des 25m-Beckens verboten!""Wärmen Sie sich vor dem Schwimmen auf!"
Die ganze etwa 5 Minuten dauernde Litanei von Verhaltensregeln fehlt. Da muss man ja zur Bestie werden!Und was am schlimmsten ist: Man weiß nicht, wann man wegen drohender Erschöpfung aus dem Wasser muss, anders als in Japan, wo jede Stunde alle Badenden das Schwimmbecken 10 Minuten lang verlassen müssen - "zum Schutz vor Übermüdung"!(Während dieser Schwimmpause taucht übrigens ein Badewart das ganze Becken ab. Wer findet im Ausland die ertrunkenen Japaner??)
Die letzten Überlebenden unserer Reisegruppe kommen fix und fertig in ihr Hotel zurück und - fallen aus dem Fenster, weil man es (anders als in Japan, wo die Sicherheit des Gastes an erster Stelle steht) ÖFFNEN konnte!!

Nachtrag: Neulich hatte ich im Schwimmbad Gelegenheit zum Test aufs Exempel. Ich war nämlich der einzige Badegast und traf 10 Minuten vor der Schwimmpause ein. Dass es, obwohl ich noch frisch und quicklebendig war, zur vorgegebenen Zeit eine Schwimmpause geben würde, war klar. Aber dann: Wird der Pausensermon über die Verhaltensregeln auch heruntergebetet, wenn ich die Schwimmhalle verlasse und also niemand mehr zuhören kann?Ich ging also in den Umkleideraum. Als ich in die noch immer leere Schwimmhalle zurückkam, hörte ich noch die letzten Sätze des Verhaltenskatalogs...
Die Verhaltensregeln werden also keineswegs für die Badegäste gelesen, sondern für den Badewart selbst, der sich damit als guter Badewart bestätigt. Er hätte auch gar nicht die Freiheit auf das Lesen seines Texts zu verzichten. Er würde sicher von seinem Oberen gemaßregelt werden, seine Ent-Schuldigung und sein Hinweis auf das Fehlen eines Adressaten wären für seinen Chef uninteressant und nervtötend.
(zitiert aus:
http://www.blog.de/main/index.php/attila_wurm

PS von Julia: Das mit der Schwimmpause stimmt tatsächlich, das ist im Freibad von Kitakami auch so. Wir kamen einmal zehn Minuten vor der vollen Stunde dort an, Thomas stieg dann gerade ins Becken, Jakob sortierte seine Förmchen, dann gab es pünktlich um vier einen schrillen Pfiff, alle Badegäste verließen das Becken, begaben sich zu Ruhebänken, um sich zu erholen. Ich ließ Jakob am Rande des Kleinkinderbeckens mit seinem Eimerchen weiterspielen - er war ja nicht IM Becken, und ich schon gar nicht. Aber da bemühte sich einer der vier Bademeister extra zu uns her und gab uns zu verstehen, daß auch wir auf die Bänke müßten, zum Ausruhen. Dann erst verschwanden alle Bademeister in ihrem Dienstraum und kamen nachgenau zehn Minuten wieder raus. Und alle durften weiterschwimmen.
Oder weiterplätschern.
(Wie man sieht, herrscht hier auch noch Bademützenzwang).




 

Jakob-Blog statt Japan-Blog

Ich muß mich bei den Lesern entschuldigen, die diesen Blog lesen, weil sie sich für Japan interessieren - aber heute ist's halt mal wieder ein Jakob-Blog.
Es ist unglaublich, wieviel eigenen Willen so ein kleiner Mensch schon hat, was er alles kann, mag und versteht, wie genau und bestimmt er seinem Willen Ausdruck verleihen kann, wir sind jeden Tag wieder völlig baff.
Und manchmal, wenn er etwas nicht darf, was er unbedingt will, stellt er sich an die Wand (gut, daß die hier aus leichtem Kunststoff sind) und schlägt mit dem Kopf dagegen - nicht zu fest, denn so richtig wehtun soll's ja auch nicht, aber immerhin so, daß er dann in heftiges aua-aua-Wehklagen ausbrechen kann und sich unserer Aufmerksamkeit sicher ist. Und getröstet wird und ja ganz vielleicht dann doch darf, was er vorher wollte. Wahlweise geht das auch mit dem Fußboden. Ist das normal??? Kann das sein, daß das jetzt schon die Trotzphase ist? Daß er deshalb manchmal blindlings und wütend Zeugs durch die Gegend schmeißt (Autos, Bücher, Töpfe - was halt gerade zur Hand ist)? Daß er deshalb bei seiner bisher geliebten Babysitterin Mika total fremdelt, so daß sie sich schon Sorgen macht, ob sie wohl was falsch macht bei ihm (sie selbst hat ja zwei Mädchen und sorgt sich deshalb, Jungen nicht so gut zu verstehen)? Oder machen wir was falsch mit der Erziehung?
Aber so was kommt ja nicht dauernd vor, nur vielleicht ein- oder zweimal am Tag, den Rest der Zeit ist er natürlich zauberhaft.
Er darf ja auch ganz schön viel.


Schlagzeug spielen:


Sich ein Dutzend Mal am Tag die Zähne putzen (wobei es ihm natürlich mehr darum geht, am Waschbecken herumzuplätschern):


Anderen Leuten Wasser auf den Kopf gießen:


Bei jedem Wetter raus, um dort mit Wasser rumzuplätschern (wobei er es dann aber ganz schrecklich findet, nassen Sand an den Händen zu haben "Baaahhh!!!"):


In Kitakamis schickstem Café, dem "Laba-Laba" (mir ist schleierhaft, woher der Name kommt: vielleicht von Lover-lover, auf japanisch-englisch ausgesprochen, oder etwa von "Laber-Laber", was angesichts zahlreicher deutscher Dekorationsgegenstände im Café so abwegig nicht ist) mit seinem Kumpel auf der Couch chillen:


Im Restaurant abhängen (Japan ist wirklich sehr kinderfreundlich, wo geht sowas schon in Deutschland):


und mit allem spielen, was ihm in die Finger kommt (Deckel, um darunter auf der heißen Platte das Okonomyaki zu braten):


Er ist leider wirklich sehr japanisiert, was das Fotografieren angeht.


Und er ißt schon mit Stäbchen:


Neue Wörter: Aua-aua, Tütata (für Feuerwehr etc.), Keki (Keks und Kuchen, nach dem japanischen "keki"), zu, an etc, gogai (nach dem japanischen "chodai", was soviel heißt wie "gib her"; das sagt er ziemlich oft), Tiger (alle großen Stofftiere), Popo, Ake (Auge), badn, Bebe (Baby, im Sinne von alle anderen Kinder unter drei außer sich selbst) hallo, shüss (tschüß), seit gestern auch so eine Art "bye-bye". "Ja" ist noch nicht dabei, dafür "nei-nei", das er immer sagt, wenn er was tut, von dem er weiß, daß er's nicht soll, im gleichen Tonfall wie ich, und dazu bekräftigend den Kopf schüttelt.

PS: Heute habe ich die Möhren freigelassen. Ein letztes Bild:

16 April 2006

 

Hinter den sieben Bergen: Furusato mura

Fährt man etwa ein Stunde in die Berge westlich von Kitakami, kommt man nach Tono, das angeblich eine der ländlichsten und ärmsten Kommunen Iwates ist - Iwate wird übrigens vom Rest Japans als "Tibet Japans" bezeichnet, was aber nicht etwa schmeichelhaft auf reiche Kultur oder althergebrachte Tradition anspielt, sondern schlichtweg rückständig und altmodisch bedeutet. So gesehen ist Tono wirklich die hinterletzte Ecke dieses Landes, was man ihm aber nicht ansieht. Vielmehr wirkt es authentisch und in sich ruhend, wozu die schöne Landschaft sicher ebenso beiträgt wie die zum Teil geradezu prächtigen Häuser, von denen noch fast jedes mit echten, schweren teilweise sogar glasierten Ziegeln gedeckt ist. Die machen eindeutig mehr her als die modernen Blech- und Plastikdächer der moderneren, auf sich so stolzen Städte.


Sogar die Klohäuschen sehen gut aus.






Und hier gibt es nun mehrere große Freilichtmuseen, die stolz die schönen traditionellen Bauernhäuser dieser Gegend sowie einen riesigen Fundus an traditionellem Handwerk und alten Geschichten präsentieren.
Eines davon, Furusato mura, haben wir mit Eva letzten Donnerstag besucht (die meisten Bilder - zum Vergrößern anklicken - stammen aber von einem Besuch im letzten Herbst).

Furusato mura ist das größte und schönste dieser Museen. Es ist als kleines Dorf angeordnet (man beachte die - typisch für Japan - zahlreichen Toiletten!), mit ein paar Reisfeldern und einem leise murmelnden Bach in der Mitte:

Hier einer der traditionell L-förmigen Höfe. Der linke Teil ist Stall und Lager, rechts wird gewohnt. Dazu kommt meist ein Speicher mit besonders massiven Lehmwänden, in dem alle kostbaren Besitztümer vor etwaigen Bränden sicher sind.


In der Eingangshalle findet sich stets ein gemauerter Herd, der immer brennen muß. Sein Rauch wird nicht nach draußen geleitet, sondern verteilt sich unter dem Reetdach, trocknet es und verhindert, daß es von Ungeziefer befallen und gefressen wird. Das kann aber ja wohl keine sehr gesunde Wohnatmosphäre sein. Im Wohnbereich wärmt man sich im Winter an einer großen offenen Feuerstelle, über der auch das Teewasser erhitzt wird.


Innen: Schöne große Tatamiräume und wunderbare alte Holzböden.


Sieht alles sehr schön aus, aber ist im Winter ziemlich ungemütlich.

Und das? Tja, entweder ein schwerer Fall von tierquälerischer Zoophilie, oder aber eine hier etwas drastisch verbildlichte, in der ganzen Region bekannte Sage, die von der schönen Tochter eines reichen Bauern handelt, die sich in ihr Pferd verliebte und es heiratete, worauf ihr Vater das Pferd an einem Maulbeerbaum aufhängte, das Mädchen aber in den Himmel aufstieg und sich dort auf ewig zu ihrem toten Liebhaber gesellte. Vielleicht ist das hier die Vertreibungsszene durch den Vater.


Und das:

Die berühmteste aller Sagenfiguren Iwates, der Kappa. Er wohnt in kleinen Tümpeln oder flachen Flüssen, sieht aus wie eine Mischung aus Frosch und Mensch, und man weiß nie so recht, ob er den Menschen wohlgesonnen ist oder ihnen Böses will. Wenn man einen trifft, so muß man ihn sicherheitshalber mit einer Verbeugung grüßen, dann muß er diesen Gruß erwidern. Dabei verschüttet er das Wasser, das er in einer kleinen Mulde auf dem Kopf hat und das sein Gehirn kühlt, und muß schnell wieder in seinen Tümpel zurück, um neues zu holen. So ist man in jedem Fall erst mal sicher vor ihm. Links wird er mit einem kleinen Schrein geehrt.

In der hintersten Ecke des Geländes weist ein kleines Tori auf noch einen anderen Schrein hin, schön versteckt. Man sieht auch gleich, warum:

Man beachte die zahlreichen Yen-Opfer in den Holzritzen. Japaner sind wirklich ein bißchen abergläubisch.


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