04 September 2006

 

Ein ganz normales Wochenende

Eigentlich wollten wir letztes Wochenende endlich mal zum Hachimantai-Plateau fahren, aber da das dort anvisierte Hotel schon voll war und Kitakami ja immer wieder für ein faules Wochenende gut ist, zumal bei dem derzeit herrschenden strahlenden Wetter, ließen wir es dann daheim ruhig angehen.
Ich hatte vormittags eh' meine Kinder-Englischstunde, und Thomas mußte zu seinem Institut, wo eine Art Tag der offenen Tür war, mit Traktorschau, Kartoffelnausgraben, Maisernten, Reisverkosten und allerhand mehr. Zunächst war ja nicht viel lo
s, auch der zum Parkplatzeinweiser umfunktionierte Wissenschafter hatte nicht viel zu tun, aber später dann strömten die interessierten Bürger doch. Sehr beliebt war das DNA-Flechten aus Draht und kleinen Glasperlen - das fanden alle sehr "kawaii" - niedlich.

Später sind Jakob und ich auch hingeradelt - und waren hin und weg von der Palette zur Schau gestellter Traktoren, Reispflanzmaschinen (links unten), Reisfeldpflüge (Mitte) und Reismähdrescher (rechts). Die sehen alle sehr niedlich aus, weil sie ja bei dem weichen Untergrund nicht zu tief einsinken sollen und deshalb möglichst klein und leicht sind.



Am besten waren natürlich die Traktoren, hier von Jakon fachmännisch begutachtet ("Bagger!" - seine Kusinen auf dem Bauernhof, die schon mit anderthalb einen Radlader von einem Traktor unterscheiden konnten, werden ihn auf ewig verspotten).

(hier sieht man mal wieder, wie ein Kind die eigene Wahrnehmung verändert - hätte nie gedacht, daß ich mal Photos von Traktoren auf eine Webseite stelle, oder stundenlang an Bahnübergängen auf Züge warte!)
Das hier ist ein Gefährt zum Spritzen der niederwüchsigen Apfelplantagen; sieht doch aus wie für Kinder gemacht. Fand Jakob auch, und war so mutig einzusteigen und auf die Hupe zu drücken - die wohl das Lauteste war, was er je in seinem Leben gehört hatte. Gar nicht mehr niedlich. Noch minutenlang hat er geweint vor Schreck.

Nachdem dann auch noch der Luftballon an einer heißen Glübirne zerplatzt ist, haben wir auf die anderen landwirtschaftlichen Attraktionen verzichtet und sind zwecks spätem Mittagsschlaf nach Hause geradelt.
Danach war der Tag schon so weit vorangeschritten, daß uns nur noch ein spätes Kaffeetrinken übrigblieb, bei unserer Stammpatisserie "Boule de Neige" natürlich. Die ist nicht nur deshalb unschlagbar, weil es dort sicher 150 verschiedene edelste Törtchen und Küchlein gibt, nein, von der Terasse, auf der nie jemand sitzt außer uns, kann man auch stündlich den Zug in die Berge vorbeifahren sehen. Leider habe ich jetzt aber weder Fotos von Törtchen noch Zug.

Auf dem Rückweg kamen wir hier vorbei: An den aufwendig gestalteten Außenanlagen des städtischen Kulturzentrums Sakura-Hall. Jakob war entzückt - mindestens zwei Dutzend Male wurden die Hügelchen erstiegen und - "huiiiih!" - hinuntergerannt.


Der Sonntag begann dann mit einem Gottesdienst - nicht etwa einer, zu dem wir gegangen wären, oh nein, sondern das übernächste Grundstück wurde von einem singenden Priester in vollem Ornat für die bevorstehende Bebauung geweiht, mit Opfergaben, Beten und allem Drum und Dran. Schade, es war ein wunderbar zugewachsenes Stück Wildnis gewesen. Die dazugehörige Bauherrenfamilie war zahlreich und im Sonntagsstaat angerückt und filmte und fotografierte die Zeremonie - was wir uns leider nur aus der Ferne trauten. (A propos bauen, was ist eigentlich aus dem anderen Haus geworden? Außen ist es fertig, momentan wird die das Innenleben fertiggestellt, überwiegend aus wiederum mit Tausenden von Nägeln festgenageltem Holz).
Statt in die Kirche gingen wir dann lieber auf einen großen Sonntagsspaziergang zum Fluß und auf den Spielplatz, Tiere gucken, und lauter gefährliche Sachen machen


Endlich mal ein Porträt, ohne daß er's merkt - aber zack, da ist sie wieder, die unvermeidliche japanische Fotopose.

Mittagessen waren wir im Restaurant mit dem schönsten Blick Kitakamis,

wo es erfreulicherweise auch wunderbares klassisch-frisches japanisches Essen gibt, und beim Gehen bekamen wir unsere Fahrradkörbe auch noch mit frischen Auberginen und kleinen grünen Paprika gefüllt, die sie dort selbst anbauen (war natürlich sehr nett, auch wenn das ausgerechnet die Gemüsearten sind, die mir bei unserer montäglichen Gemüsekiste schon Kopfzerbrechen bereiten!).

Den Rest des Sonntags fuhren wir dann noch zu allen möglichen netten Plätzen, von denen Kitakami wirklich erstaunlich viele aufweist, und da hier ja schon bald der Schnee wieder meterhoch liegen wird, muß man das schöne Wetter natürlich ausnützen. Irgendwann am späten Nachmittag schlief Jakob dann auf seinem Sitzchen ein, sackte einfach weg und war nicht mehr zu wecken - mannomann, das waren lange Kilometer nach Hause, begleitet von vorwurfsvollen Passantenblicken, die mir gefährliches Rabenmuttertum vorwarfen.


Comments:
Das letzte Foto erinnert mich an einen Familienurlaub am Bodensee, lang, lang ist's her. Eine Woche in den Herbstferien in Merseburg (kommst Du nicht von da?). Mein kleiner Bruder (jetzt gerade 16 geworden) muß so drei oder vier Jahre alt gewesen sein, konnte noch nicht Fahrrad fahren und saß bei Papa hinten im Kindersitz. Auf dem Rückweg einer längeren Fahrradtour schlief das Kind dann ein, und mein Vater fuhr den Rest der Strecke einhändig, weil er mit der anderen seinen Jüngsten hinten abstützen mußte. Irgendwann waren wir dann wieder in Merseburg angekommen und mußten diese steile Straße zum Fahrradverleih hoch. Mein Vater stieg vorsichtig ab, und das schlafende Kind sackte, ohne aufzuwachen, einfach vorne rüber, lag dann mit dem Kopf auf dem Sattel, und die Arme baumelten links und rechts lose runter. Unter den amüsierten Blicken von Einheimischen und Touristen ging es den Berg hoch.
 
Moin!
Ja, genau von dort komme ich (allerdings liegt Merseburg in Sachsen-Anhalt, die Stadt am See heißt Meersburg). Und die Straße kenne ich, die war jahrelang mein Schulweg, sie ist wirklich sehr lang und steil, und heißt passenderweise "Steigstraße".
Gruß nach Osaka,
Julia
 
ups!
 
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