28 Januar 2007

 

Presseschau

Seit einer Woche können wir beim Frühstück wieder Zeitung lesen - endlich, ein erhebliches Plus an Lebensqualität. Wir haben jetzt nämlich die englischsprachige Daily Yomiyuri abonniert. Und die Lektüre erfüllt mich jeden Morgen mit Erstaunen. So gab es gestern auf der zweiten Seite eine 25zeilige Meldung über den Fund eines Mehlwurms in einer Schokoladenpackung der Firma Soundso im Herbst letzten Jahres, gekauft von einer Hausfrau in Dortunddort in der Provinz Gifu. Die Firma beteuert, das sei ein Einzelfall gewesen, es sei deshalb nicht nötig, andere Produkte zurückzurufen, die nötigen Hygienemaßnahmen seien getroffen worden. Wobei die Zeitung aber vorwurfsvoll betont, auch auf Hokkaido seien im November 2003 und im Oktober 2006 Motten in Schokoladenprodukten der Firma gefunden worden. (Demnächst wird sich dann der Firmenchef sein Schwert in den Bauch rammen, um für diese Schande geradezustehen.)
25 Zeilen für einen Mehlwurm! Im Fernsehen wurde übrigens auch darüber berichtet. Was muß Japan für ein gesegnetes Land sein, daß ein einziger Mehlwurm so von sich reden macht! Gibt es hier denn keine anderen Probleme?
Aber natürlich gibt es die, Umweltverschmutzung, Korruption, Mafia, haltlose Jugendliche (die sich entweder in eine Parallelvideospielwelt verkriechen oder sich in den Schulen gegenseitig in den Selbstmord mobben) und und und. Und über sie liest man zum Teil auch in der Zeitung. Über die Umweltverschmutzung eher weniger, da gibt es, soviel ich weiß, nur wenige präzise Gesetze, deshalb auch wenige offizielle Verstöße dagegen. Korruption ist in den Medien dagegen schon ein Thema, wobei wahrscheinlich aber nur eine kleine Spitze des Eisberges zum Vorschein kommt.
Der Jugend soll demnächst eine Schulreform wieder auf die Beine helfen, mit mehr Disziplin, mehr Patriotismus, längeren Unterrichtszeiten und einer Wiedereinführung einer leichten Prügelstrafe ("leichte Schläge auf den Kopf"). Gut, daß wir wohl nicht mehr in Japan sein werden, wenn Jakob in die Schule kommt.

Interessant war letzte Woche auch ein Artikel über die Ausländer in japanischen Gefängnisse, "Foreigners filling nation's jails", der suggerierte, daß die derzeit zu knapp 120% belegten Gefängnisse Japans wegen der ganzen einsitzenden Ausländer so voll seien (was ja auch nicht erstaunlich ist, denn daß Ausländer gefährlich sind, weiß man ja). Bei der Lektüre erfährt man dann aber, daß von den 71500 Insassen doch nur 5300, also 7,3 % Ausländer sind. Das klingt schon etwas weniger dramatisch. Was der Artikel verschweigt, ist daß die am schnellsten anwachsende Delinquentengruppe derzeit die der japanischen Männer über 70 ist - deren Zahl hat sich allein zwischen 2000 und 2004 auf über 20000 verdoppelt, wie man hier nachlesen kann.

Comments:
Hier hat man auch kürzlich eine Opa-Bande von 60 bis 65jährigen dingfest gemacht und ein Einzeltäter, ebenfalls Opa, von Österreich anreisend, hat in München in den letzten 3 Jahren 20 Banküberfälle durchgeführt. Verbrecher bleiben auch länger jung, wie wir alle. Mag sein, daß es in Japan andere Gründe dafür gibt.
 
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