16 November 2006

 

Kyoto

Wir brachen am letzten Freitag mit dem ersten Shinkansen Richtung Tokyo auf, wo wir vormittags in der deutschen Botschaft noch etwas zu erledigen hatten. Der Botschaft gegenüber liegt ein wunderschöner Park, in dem wir dann noch ein Stündchen vertrödeln konnten, bis unser Anschlußzug fuhr. Das Wetter war strahlend, am Parkeingang wurden Kaffee und französische Croissants verkauft, es stellte sich sofort ein angenehmes Urlaubsgefühl ein. Die Botschaft liegt in einem ausgeprägten Diplomatenviertel, weshalb man stellenweise mehr Westler in den Straßen trifft als Japaner. Sehr exotisch!

Am Bahnhof war noch ein Viertelstündchen Zeit für eine Runde um den historischen Backsteinbau des alten Bahnhofsgebäudes, das von absolut gewaltigen Hochhäusern fast erdrückt wird, dessen unterirdisch-vielgeschossiges Innere mit seinen Menschenmassen aber mindestens ebenso gewaltig wirkt wie die Hochhäuser - jedenfalls auf ein (Wieder-)Landei wie mich!



Aber ich wollte doch von Kyoto erzählen.
Bei der Ankunft am späten Nachmittag war es wundervoll warm, mindestens 20°C. Unser Hotel, ein recht gesichtloses, aber bequemes sogenanntes Businesshotel, entpuppte sich als mitten in einem schönen alten Viertel liegend, gleichzeitig aber direkt an der Kreuzung der beiden Metrolinien der Stadt. Sehr praktisch. Eigentlich hatten wir ja in einem Ryokan wohnen wollen, aber die waren alle seit Wochen und Monaten ausgebucht, denn Mitte November ist DIE Reisezeit überhaupt für Kyoto. Warum? Wegen der berühmten Rotfärbung des Herbstlaubes, koyo genannt, die in den zahlreichen Tempelgärten und Parks natürlich besonders schön ist. Leider hat diese dieses Jahr extreme Verspätung, und alles war noch grün.
Was aber nichts machte, denn Kyoto hat auch sonst genug zu bieten.

Diese Stadt ist einfach schön, sie strotzt vor Tempeln und Schreinen mit ihren prächtigen Parks, dazu weltläufig und im Gegensatz zu anderen japanischen Großstädten extrem übersichtlich, sie erschließt sich einem sehr schnell. Kyoto vereint alles, was unsereiner an Japan exotisch und interessant findet - Tempel, alte Stadtviertel mit traditionell japanischen Häusern, japanische Kulturvim Überfluß - mit einer recht westlichen Atmosphäre, die alles an Cafés, Kneipen und Läden bietet, was man bei uns oben im entlegenen Norden manchmal vermißt.

Am Abend spazierten wir also staunend durch die Viertel in der Nähe des Hotels und vor allem durch die Sanjo-dori, eine belebte und trendige Einkaufs- und Vergnügungstraße.

In Kyoto wird es zwar genauso früh dunkel wie in Kitakami (derzeit kurz vor fünf), aber anders als in Kitakami sind hier trotzdem noch jede Menge Leute unterwegs, und sie vergnügen sich an so exotischen Orten wie Straßencafés und Kellerkneipen (wie gesagt, hier gibt es das nicht!).

Jakob fand es auch klasse, denn er machte jede Menge ergiebige (an Küßchen und geschnorrten Pommes frites) Frauenbekanntschaften; denn obwohl es hier eine große Westlergemeinde und damit auch jede Menge westliche Kleinkinder gibt, bekam er soviel Zuspruch und "kawaiii!" wie schon lange nicht mehr - vielleicht auch, weil abends dann doch nicht mehr sehr viele andere Kinder unterwegs sind.

Am nächsten Morgen ging ich dann, während Thomas und Jakob sich alleine in der Stadt vergnügten, zu dem Symposium, das der eigentliche Grund unserer Reise war. Angenehmerweise diesmal nur als Zuhörerin, ohne einem eigenen Vortrag entgegenbibbern zu müssen, der reine Genuß. Zumal sehr gute Redner eingeladen waren und das Ganze wirklich sehr gut organisiert war. Ich wurde doch ein bißchen nostalgisch - das Wissenschaftlerleben hat schon was...


Nachmittags wollten wir ausführlich Sightseeing machen - aber es fing an zu regnen, und hörte bis zum Abend nicht mehr auf. Das war ungemütlich.

Und der Zoo, wo wir extra für Jakob hingingen, war furchtbar. Eigentlich ein Kindervergnügungspark mit ein paar Tiergefängnissen drin. Die Vernügungseinrichtungen fand Jakob aber ziemlich gut. Und nicht nur er, wie man sieht.


Danach blieben wieder nur Geschäfte und Cafés als Zuflucht. Zum Beispiel das extrem gemütliche "La Voiture" in der Nähe des Heian-Schreines, wo es eine köstliche Tarte Tatin gibt. Gut, daß Jakob alle seine Autos dabei hatte, bei DEM Namen!


Abends gab es dann noch das Kongreßbanquet, im historischen Backsteinherz der (riesigen) Uni.
Zu diesem Anlaß kleideten sich alle Kyoter Tagungsteilnehmer in der jeweiligen Landestracht ihrer Forschungsregion, die besten (hier die Endrunde) wurden prämiert und die Preise von nicht minder bunt kostümierten Gestalten überreicht. Erstaunlich viel Frohsinn und Phantasie für einen wissenschaftliche Veranstaltung.

(ja, ich weiß, die sind unscharf, pardon!)

Comments:
Das Foto von den beiden Jungs im großen Auto ist klasse! ;-)
 
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