30 Oktober 2006

 

Immer noch neue Erfahrungen

Ich befürchte ja immer wieder, daß mir hier langsam der Stoff ausgeht, da ich inzwischen wohl das meiste erlebt habe, was es im eigentlich ja gar nicht so exotischen Japan Erzählenswertes zu erleben gibt - und dann kommt doch wieder was Neues.
Diesmal in einem Bereich, mit dem ich bisher nur kurz - über Jakob - in Berührung gekommen war: dem Gesundheitssektor.
Nun betraf es mich selbst, worüber ich aber erfreut war, denn ich schien schwanger zu sein. Um mir das bestätigen zu lassen, versuchte ich mit Hilfe einer Freundin einen Arzttermin auszumachen. Nun muß man wissen, daß es in denen ländlichen Regionen Japans wohl generell und hier in Iwate ganz besonders einen ausgeprägten Mangel an Frauenärzten gibt, obwohl die Regierung versucht, dies durch Lockprogramme abzumildern. Aber es wollen eben nicht viele in diese innerhalb Japans durchgehend als rückständig und hinterwäldlerisch geltende Gegend. Deshalb hatte sich die Anfrage in der ersten Klinik schnell erledigt, denn dort waren sie grundsätzlich schon dauernd ausgebucht und nahmen deshalb an neuen Patientinnen (auch schon zur ersten Untersuchung!) nur solche, die auch gleich den entsprechenden Geburtstermin im gleichen Haus sicher buchen. Da ich dies weder konnte (es steht durchaus noch nicht fest, wie lange wir noch hier bleiben) noch wollte, schied dieses Haus gleich aus.
Die Ärztin einer anderen Privatklinik wurde von mehreren Bekannten unabhängig voneinander als sehr streng, ja sogar ruppig bezeichnet - auch da wollte ich nicht unbedingt hin. Meine Freundin machte dann eine kleine Telefonumfrage bei den wenigen verbleibenden Praxen, und nachdem nirgendwo englisch gesprochen wurde, begleitete sie mich dann zur ersten Untersuchung ins städtische Krankenhaus, ein nicht sehr ansehnliches Haus, aber was soll's.
Ich war ja noch nie richtig zur Behandlung in einem deutschen Krankenhaus (kann man da überhaupt zu normalen Arztterminen gehen, im Krankenhaus?), also weiß ich nicht, wie dort Aufnahme und Behandlung verwaltungstechnisch funktionieren; aber hier fand ich es sehr gewöhnungsbedürftig.
Zunächst einmal ist es sehr voll. Alle Ankommenden geben am Zentralverwaltungsschalter im Eingangsbereich ihre Versicherungs- und ihre Patientenkarte ab (falls sie schon eine haben; falls nicht, wird diese samt einer Patientenakte erstmal ausgestellt, was ganz schön dauert, da man einen langen Patientenaufnahmebogen ausfüllen mußte). Man muß etwas warten und bekommt dann seine Akte ausgehändigt, mit der man dann zur jeweiligen Station spaziert. Dort gibt man sie am Stationsbüro wieder ab, wird im Falle des Erstbesuchs nochmal allerhand Informationen abgefragt (zum Glück war meine Freundin dabei, den Englisch ist auch hier ein Fremdwort), bekommt ein Kärtchen mit einer Nummer und wartet. Ein Wartezimmer in dem Sinne gibt aber es nicht, vielmehr wird der Gang vor der Station durch eine Unzahl dort aufgestellter Stühle zum Wartebereich. Gemütlich ist anders!
Wir waren kurz nach zehn gekommen, gegen zwölf dann wurde ich aufgerufen (vor allem für die Kinder, die wir hatten mitnehmen müssen, war das eine ganz schön lange Zeit, obwohl sie sich wirklich tapfer gehalten hatten).
Mir wurde bedeutet, mein Nummernkärtchen abzugeben, die Schwester fragte nochmals dies und das, und dann durfte ich mich innerhalb der Station nochmals zum Warten hinsetzen. Die Station ist für unsere westlichen Augen sehr kurios aufgebaut: Da ist zunächst eben das kleine Sekretariat, von diesem geht ein langer schmaler Gang ab, in dem wieder Stühle für Wartende stehen. Er ist so schmal, da man jedesmal seine Knie zur Seite drehen muß, wenn jemand vorbeikommt - und es herrscht ein reges Kommen und gehen. Vor der Nase hat man dann eine Plastikwand mit insgesamt vier oder fünf kleinen Türen (oder waren es nur Vorhänge? ich weiß es nicht mehr genau, jedenfalls hört man alles, was auf der anderen Seite gesprochen wird - wo bleibt das das Patientengeheinnis??). Plötzlich wird hinter einer dieser Türen leise der eigene Name gerufen; falls man aufgepaßt hat und ihn rechtzeitig hört, geht man hinein und steht in einem Kabüffchen, das so winzig ist, das sitzend genau der Arzt und man selbst hineinpassen. Der Arzt fragt nun, warum man kommt (die Schwester hatte gesagt, er spräche Englisch, deshalb müsse meine Freundin nicht mit rein - wahrscheinlich hat sie das aber eher deshalb gesagt, weil das Kabuff gar keinen Platz bietet für drei Personen plus Kinder). Der Arzt konnte zwar strenggenommen überhaupt kein Englisch, aber das war jetzt nicht weiter schlimm, den der Grund meines Besuches war ja schon auf dem Aufnahmeformular angegeben und nicht weiter kompliziert.
Ich wurde also wieder auf den Gang geschickt, und nach einigen weiteren Minuten aufmerksamen Lauschens hörte ich meinen Namen aus einer anderen Kabine gerufen. Die war genauso klein, nur stand ein gynäkologischer Behandlungsstuhl darin, über dessen ungefährer Mitte ein langer Vorhang hing. In diesen Stuhl bugsierte ich mich hinein, unsichtbar hinter dem Vorhang stand eine Schwester, die mir denselben dann ordentlich quer über den Bauch drapierte und den Stuhl in Position fuhr. Wieder Warten, schon komisch mit dem Vorhang über dem Bauch. Rechts und links befanden sich offensichtlich weitere Behandlungskabinen, aus denen man alles mithören konnte, nach hinten (also jenseits des Vorhangs) schien der restliche Raum offen zu sein, die Ärzte und Schwestern wechselten direkt von einem Platz zum anderen. Irgendwann kamen die Schritte hinter dem Vorhang dann zu mir, die Untersuchung (Ultraschall, Abtasten) dauerte höchstens anderthalb Minuten, dann durfte ich mch wieder anziehen, und wieder im Gang vor den Kabinen warten. Nach weiteren ca. zehn Minuten (offenbar untersuchen und besprechen die Ärzte jeweils en bloc, erst zehn Patientinnen untersuchen, dann mit zehn Patientinnen das Resultat besprechen) wurde ich wieder hineingerufen, wo der Arzt mir mit sehr wenigen englischen Worten (da kann ich wirklich zehnmal so viel Japanisch!) bestätigte, was ich eh' schon wußte, schwanger, jawoll. Aber Herztöne waren noch nicht eindeutig festzustellen, deshalb sollte ich nächste Woche nochmal wiederkommen. Oh je. Vorne am Stationssekretariat durfte ich dann nochmal ein bißchen warten, dann wurde mir eine Art vager Termin gegeben (nächsten Freitag um zehn, aber kommen Sie lieber erst um halb elf!), ich bekam meine Patientenakte wieder (konnte darin dann auch das Ultraschallbild angucken, was der Arzt mir gar nicht gezeigt hatte), sammelte meine Freundin und die Kinder ein und wir gingen zusammen nach unten. Dort gibt man die Akte ab, bekommt eine Art Bon mit aufgedruckter Nummer und wartet wieder, solange nämlich, bis auf einer großen Anzeigetafel die eigene Nummer aufleuchtet. Dann darf man zu einem der drei Zahlungsautomaten gehen und seine Untersuchung bezahlen: Ungefähr neuntausend Yen für höchstens 5 Minuten Untersuchung und Konsultation, plus ca. drei Stunden Warten (hat jemand mitgezählt, wieviele einzelne Wartephasen das waren? ich hab' es aufgegeben!), nicht schlecht. Dazu muß man aber wissen, daß in Japan die Kosten von Schwangerschaft und Geburt nicht von der Krankenversicherung getragen werden - man ist ja eigentlich nicht krank (zum Ausgleich bekommt man aber nach der Geburt eine Art Prämie, die dann ungefähr die Geburtstkosten deckt).

In der nächsten Woche hab' ich dann Jakob zu seiner Babysitterin gebracht und mich alleine hingetraut, da ich ja jetzt wußte, wie's geht. Der Ablauf war auch in etwa der gleiche, das Resultat diesmal eindeutig: Herztöne da, alles ok, aber kommen Sie in zwei Wochen nochmal!
Beim Ausmachen des neuen Termins fragte ich bei den Stationsschwestern, ob ich denn jetzt auch am Mittwoch kommen könne (der Schwangerschaftsuntersuchungen vorbehalten ist, und wo insgesamt vielleicht etwas weniger Andrang herrscht, wie ich hoffte), nein, geht leider nicht, nur für Schwangere, bin ich aber doch, ja, aber nur für schon Fortgeschrittenere - Menno!
Dieses ganze zermürbende Warten und die merkwürdige Stimmung, die in diesem Krankenhaus vorherrscht, ließ mich die Klinik überhaupt nicht in der Hochstimmung verlassen, die das erfreuliche Resultat eigentlich mit sich bringen müßte, sondern eher zerknirscht. Wie es weitergeht, morgen!


Comments:
Wahrscheinlich muss man bei dem Krankenhausterror schon fast froh sein, wenn man wegen etwas positivem hin muss. Ich stell mir gerade vor mit Schmerzen von Warteraum zu Warteraum gescheucht zu werden...
Aber wenn die Untersuchungen Dich so zermürben, vielleicht heitern Dich ja ein paar Glückwünsche auf :)
OMEDETOU GOZAIMASU!!! (Sagt man das überhaupt, wenn man jemandem zur Schwangerschaft gratuliert?) Ich wünsche euch alles Gute!
 
Na prost Mahlzeit! ist ja zum Mäuse melken... kann mir den Rest von was noch kommt grad so halbwegs vorstellen... bin aber trotzdem gespannt wie Flitzebogen zum weiterlesen, meine kleine Abwechslung im Büro... *freu*
 
@luthien: Ja, sagt man, arigatou, in meinem Fall war es dann aber doch etwas verfrüht... vielleicht hätte ich doch gleich weiterschreiben und nicht hier unterbrechen sollen.
Und "Terror" würde ich es dann trotz aller Mühen nicht nennen, das System ist hier halt einfach anders; stören tut das nur uns, die wir es anders gewöhnt sind - und auch Japaner, die längere Zeit in Europa gelebt haben.
 
Hallo Julia!
Hab jetzt schon ein paarmal in den Blog reingelesen und finde die Themen und Anlässe von denen du berichtest überwiegend sehr interessant. Den Familien-Blickwinkel auf das Leben in Japan hatte ich bisher noch nicht.
Aber das Lesen deiner Posts ist manchmal - wie soll ich sagen - etwas anstrengend. Möchte jetzt ungern hier irgendwie lehrerhaft wirken, aber mit ein paar Kniffen könntest du die Lesbarkeit deiner Posts deutlich verbessern, ohne deinen Stil an sich groß ändern zu müssen:
- lange Texte mit Absätzen strukturieren
- kurze Zusammenfassungen am Anfang und/oder Ende
- wenn du zu einem Post sehr viele Fotos einstellen willst: die in ein Kommentar packen, damit man auf der Homepage nicht ewig scrollen muss
So, und jetzt freu ich mich auf deine nächsten Geschichten!
Grüße!
 
Hallo Klaus,
schönen Dank für Deine konstruktive Kritik! Mit den Absätzen hast Du absolut recht; auch sollte ich insgesamt weniger lange und verschachtelte Sätze machen. Kurze Zuammenfassungen wären natürlich hilfreich, auch da gebe ich Dir recht, aber werde wohl zu faul sein + meist nicht genug Zeit haben,noch extra welche zu schreiben.
Und was meinst Du denn mit "Fotos in einen Kommentar packen"? Wie soll denn das gehen?
Schöne Grüße,
Julia
 
Kommentar veröffentlichen



<< Home

This page is powered by Blogger. Isn't yours?