07 Juni 2006

 

Osaka (letzter Teil)

Mit dem kleinen Rock-Open air war der Sonntagnachmittag aber noch nicht zu Ende, denn wir mußten ja noch zum Schloß von Osaka, das angeblich die meistbesuchte Attraktion ganz Japans ist, obwohl es eigentlich eine unspektakuläre Rekonstruktion des schon lange zerstörten echten Schloßes ist und ein nach Augenzeugenberichten unattraktives Museum beherbergt. Böse Zungen behaupten, es sei nur deshalb so beliebt, weil Osaka sonst nicht viel zu bieten habe
Wie auch immer, um zum Schloß zu kommen , durchquerten wir den riesigen umgebenden Park, in dem nicht nur die Rocker, sondern alle möglichen anderen Musiker, sonstige Künstler und Sportler ihren Leidenschaften frönten, es gab an jeder Ecke was zu sehen und zu hören.

Leute auf Hightech-Hochsprung-Stelzen, Skiläufer, traditionelle Trommler, Reggae-Freaks.
Und viel wohltuendes Grün, das zum Teil aber merkwürdig in Form geschnitten war.


In den dichteren Waldstücken sieht man häufig die blauen Zeltunterkünfte der Obdachlosen (siehe auch hier), von denen es hier immer mehr gibt (in Kitakami noch nicht, so viel ich weiß, da sind die WInter wohl zu kalt). Oft sind das Leute, die ihre Arbeit verloren, und es dann angesichts dieser - obwohl unverschuldeten - Schande vorzogen, nicht mehr nach Hause zu gehen. Auch ist das soziale Netz Japans viel weniger dicht als in Deutschland, so daß man schneller hindurchfällt, wenn was schiefgeht im Leben. Sie werden von der Politik so gut es geht ignoriert oder auch beschimpft, gelegentlich gibt es Räumungsaktionen; in der Bevölkerung sind sie, so habe ich gelesen, sehr gering geachtet. Mir ist schleierhaft, wovon sie leben, denn Betteln ist in Japan verboten.

So, und hier ist dann das Schloß, vor dessen Erreichen man aber noch eine Art Kleingärtnerausstellung mit thematisch gestalteten, geschmacklich teils sehr fragwürdigen Beeten passieren mußte.

Klar, daß wir es damit dann auch belassen und uns das Museum erspart haben. Statt dessen ging's dann zu Fuß zum Hotel zurück; eigentlich wollten wir ja nur bis zur nächsten U-Bahn-Station, haben diese aber verfehlt und beschlossen dann, gleich weiterzulaufen, da es auf dem Stadtplan dann auch gar nicht mehr so weit aussah. War es aber schon, und nachdem wir schon fast da waren, haben wir (ja, ICH, ich geb's ja zu, Thomas!) und nochmal in der Richtung getauscht, waren plötzlich wieder ganz weit weg, und sind dann doch den Rest U-Bahn gefahren. Statt dann aber gleich die müden Füße im Hotelonsen zu tauchen, sind wir noch ein bißchen durch die dem Ryokan benachbart gelegene Dotonbori-Street spaziert, einer der berühmten "Fressgassen" Osakas. Das Englisch ist hier aber auch nicht besser als anderswo - was um alles in der Welt will uns dieser an einem Internet-Café prangende Text sagen (zum Lesen anklicken)??




Nach dem Frühstück am nächsten Morgen (an dem Jakob großen Gefallen gefunden hat, wie man sieht) haben sich unsere Wege dann kurzfristig getrennt (als Resultat eines erneuten großen Verlaufens, das mir in die Schuhe geschoben wurde, und der nachfolgenden kleinen Verstimmung) und ich traf mich in Shin-Osaka mit Ute auf einen langentbehrten Starbucks-Kaffee (gibt's ja hier erst in der nächsten größeren Stadt), was sehr nett war. Sie unterrichtet bei einer der großen Sprachschulketten Deutsch - via Internet und fast rund um die Uhr (natürlich nicht sie allein, sie hat 8-Stunden Schichten, aber der Unterricht kann rund um die Uhr gebucht werden). Was es nicht alles gibt. Das Starbucks-Personal war überaus reizend zu Jakob und hat ihn mit "Kawaii!" und Apfelsaft überschüttet - erstaunlich, ich hätte gedacht, daß es hier so viele Gaijin und damit auch Gaijinkinder gibt, daß er nicht so auffällt.
Wieder mit Thomas zusammen ging's per Zug dann weiter nach Kyoto, wo ich nachmittags einen Vortrag hatte und wo wir die Zeit davor - wieder versöhnt - im riesigen Park des alten Kaiserpalastes herumspaziert sind

Der Vortrag war vor der Arbeitsgruppe eines Ethnobotanikers, den ich vor zwei Jahren auf einer Konferenz in England getroffen hatte und der - die Welt ist klein - gleichzeitig ein alter Kollege von Thomas jetzigem Chef ist. Er hat da anderthalb Dutzend Ethnobotaniker um sich versammelt, mit Themen aus Afrika und Asien, eines interessanter als das andere - ein Traum, ich war ja in meinem ehemeligen Projekt in Frankfurt immer die Einzige, die sowas gemacht hat. Es herrschte eine sehr nette Stimmung, gab sogar eine angeregte Diskussion.

Ähnlich war es bei dem Vortrag am nächsten Morgen im höchst sehenswerten und schön gelegenen ethnologischen Nationalmuseum. Leider blieb nur wenig Zeit für Besichtigen und Müßiggang, denn wir mußten dann schleunigst, mit zweimal U-Bahn-Umsteigen und einer Stunde Busfahrt, zum blöden Kansai-Airport zurück (der andere, Itami, wäre einen Katzensprung entfernt gewesen), um unser kleines Flugzeug zu erwischen. Das uns dann abends um halb sechs brav in Hanamaki absetzte.


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