31 Januar 2007

 

Kultur satt

Gestern abend war ich mit Hiroko im Ballett, in diesem eigentlich fantastischen Kulturzentrum hier in Kitakami, das in drei Sälen und etlichen kleineren Räumen ein ungemein breites Programm bietet, von lokalem Rock über traditonelle japanische Musik bis zu internationaler Klassik, und in das wir viel zu selten gehen.
Gestern gab es "Kabuki" von Maurice Béjart, mit dem Tokyo Ballet Ensemble - vom Feinsten! Béjart schuf dieses Stück extra für das Tokyo Ballet - er griff dazu eine alte japanische Samuraisage (mit einem rituellen Gruppenselbstmord am Ende) aus dem Repertoire des traditionellen Kabukitheaters auf und machte daraus ein wunderbares Ballett, das jede Menge klassische japanische Elemente enthält und schlichtweg eine Augenweide ist.
Und das in Kitakami!
Jakob war auch mit, ich hatte ihn für den Babysitterservice angemeldet, der bei großen Veranstaltungen für 1000 Yen angeboten wird. Als wir kamen, warteten schon drei Damen auf die zu hütenden Kinder. Er blieb dann das einzige, packte entzückt seine mitgebrachten Spielsachen aus, winkte uns halbherzig zum Abschied und wandte sich den Damen zu. Als wir ihn später wieder abholten, war er etwas geschafft von zweieinhalb Stunden Dauerspielen mit den Damen, die ihm wahrscheinlich jeden Wunsch von den Augen ablasen, aber sehr guter Dinge. Machen wir bestimmt mal wieder!
Was mir aber am allerbesten gefallen hat: Der große Saal, in dem das Ballett stattfand, war nicht sehr warm - und so standen denn in der Pause junge Mädchen mit Stapeln Wolldecken an den Türen, von denen jeder Frierende sich eine mit hineinnehmen konnte. Es gibt doch immer noch Neues im japanischen Serviceparadies!

Aber damit nicht genug Kultur: Am Abend zuvor war ich - wiederum mit Hiroko - nach gut einem Jahr mal wieder im Kino. Ebenfalls in Kitakami, wo es ein großes (8Säle) Warner-Kino im Stadtzentrum gibt, das aber recht spärlich besucht wird; die Japaner gucken Filme anscheinend lieber gemütlich zuhause. Gezeigt wurde "Marie-Antoinette". Die Meinungen darüber gehen ja ziemlich auseinander, aber mir gefiel er gut, je länger ich darüber nachdenke, desto besser. Klasse Bilder, erstaunliche, aber sehr passende Musik dazu und ein ganz anderer Blickwinkel als Historienfilme sonst. Und irgendwie stört es kaum, daß der Inhalt streng betrachtet ziemlich dürftig ist...

Comments:
Habe "Marie Antoinette" nicht gesehen, aber jetzt die Fotos betrachtet. Jedes Bild ein Gemälde! 18. Jahrhundert bis ins letzte wunderschöne Detail, ach, und die Stoffe! Tragisch hat's halt geendet, das Volk hatte nunmal keine Kuchen, um seinen Hunger zu stillen. Aber wer weiß, ob das Zitat stimmt, das man ihr in den Mund legt.
 
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Nee, das stimmt nicht, das ist wohl ihren zahlreichen Feinden zuzuschreiben und sollte sie beim Volk unbeliebt machen.
 
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