23 Mai 2007

 

Das hätte ich jetzt aber nicht gedacht

Man glaubt (als Außenstehender) ja immer, Japan sei ein Land, dessen Einwohner weitgehend auf eigene Persönlichkeit und Individualismus verzichten, um sich als kleine Rädchen brav in das große Ganze einzufügen - weit gefehlt, wie ich heute mit Erstaunen in der Zeitung gelesen habe: "Is this a community or just a crowd?" war dieses Photo betitelt.
Die im begleitenden Artikel bedauerte Tendenz scheint zu sein, daß sich immer mehr Japaner immer weniger um andere kümmern und egoistisch nur noch nach Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse streben. Dies sei eine Folge des Wirtschaftsbooms der letzten Jahrzehnte, bei dem so viele Japaner wohlhabend geworden und immer weniger auf andere angewiesen sind. Jeder sieht sich als vorwiegend als Konsument, der haben will, was ihm zusteht und wofür er bezahlt, und auf seine Rechte pocht. Und die im Wirtschaftsboom großgewordene Generation gibt ihr Verhalten nun schon an die eigenen Kinder weiter. Ein zitiertes Beispiel: Ein Junge will einer gehbehinderten Frau in der U-Bahn seinen Sitzplatz abtreten, wird aber vom Vater schroff zurechgewiesen, er solle nicht unnötig freundlich sein, wenn er selbst müde sei.
Und einer von 2005-07 durchgeführten internationalen Untersuchung nach ("World Value survey") rangiert Japan unter 18 Ländern an letzter Stelle, was den Anteil seiner Einwohner angeht, die sagen, es sei wichtig, einander zu helfen.
Zum Glück ist aber hier in Kitakami die ländliche Welt noch in Ordnung, alle helfen einander und sind nett zueinander (ehrlich!). Und verglichen mit fast überall auf der Welt ist der Umgang miteinander auch in den Ballungszentren zumindest in den Bereichen, an denen man als Ausländer Anteil hat, immer noch extrem höflich und zuvorkommend, finde ich.
Noch was anderes: In einem Artikel über den Inlandstourismus raisoniert ein Herr vom japanischen Jugendherbergsverband darüber, warum die jungen Leute wohl weniger reisen. Einer der Gründe, die er nennt: "Heute gibt es überall in Japan die gleichen Souvenirs, das raubt dem Reisen einen guten Teil seines Reizes ." Genau. Und wenn es dann eines Tages überall das gleiche Essen gibt, wird niemand mehr wegfahren, denn Mitbringsel und Essen sind hier wirklich die Hauptanreize.

Comments:
Zumal die Mitbringsel in ihrer Mehrheit ja auch zum Essen sind. ;-)
 
Verwundert mich nicht. Selbst hier liest man mitunter, dass gerade in Tokyo japanische Tugenden kaum mehr zur Geltung kommen.

Aber solange bei euch noch alles in Ordnung ist. :)
 
Kommentar veröffentlichen



<< Home

This page is powered by Blogger. Isn't yours?